Kriminalhistorie verfilmt: Emanzipation mit Pistole

Sie war die „Banklady“ – Gisela Werler überfiel in den 60er-Jahren in Norddeutschland 19 Banken. Nun kommt ihre Lebensgeschichte ins Kino

Knarre und Komplize statt Kinder, Küche, Kirche: Nadeshda Brennicke als "Banklady" Bild: Stefan Erhard/Syrreal Entertainment

HAMBURG taz | 1966, eine Tapetenfabrik in Hamburg-Altona. Gisela, Anfang 30, Kurzhaarschnitt, kippt Farbe in einen Trichter, wuchtet Papierrollen durch die Gegend, lässt Wasserdampf aus einer Maschine. Es ist ein Knochenjob, man sieht es an ihren Händen. Nach der Arbeit betrachtet sie am Zeitungskiosk Illustrierte wie die Bunte oder die Praline. Die Frauen auf den Titelblättern haben keinen Kurzhaarschnitt und keine Schwielen an den Händen, sie sind reich und schön und reisen nach Capri.

Es ist eine überdeutlich klare Charakterzeichnung, mit der der Film „Banklady“ beginnt. Gisela, die noch bei ihren kriegsversehrten Eltern lebt, muss raus aus diesem Leben. Ihr Job bringt sie nicht weiter und der Kollege, der um sie wirbt, interessiert sie nicht. Dass sie eine andere sein könnte, sieht man ihr sofort an: Mit ihren dunklen Augen und den vollen Lippen ist der Weg vom Entlein zum Schwan nicht weit.

Über ihren langweiligen Verehrer lernt Gisela den Bankräuber Hermann kennen. Sie verliebt sich in ihn. Vor allem aber verliebt sie sich in die Idee, mit ihm ein neues Leben als Bankräuber-Pärchen zu beginnen. Fortan führt sie ein Doppelleben. Mit Hermann überfällt sie Banken in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, in der Fabrik steht sie derweil weiter an der Tapeten-Maschine. Das Geld spart sie für ein Leben mit Hermann auf Capri. Aber Hermann zögert, weil er verheiratet ist und seine Familie nicht aufgeben will.

Der Witz an dieser Bonny-und-Clyde-Geschichte im Nachkriegsdeutschland ist, dass es Gisela Werler und ihren Komplizen Hermann Wittorff alias Peter Werler wirklich gegeben hat. Von 1965 bis 1967 raubten die beiden 19 Banken in Norddeutschland aus und erbeuteten 400.000 Mark – das entspräche heute einer Kaufkraft von mehr als zwei Millionen Euro.

Die Banküberfälle verlaufen nach dem immer gleichen und rührend einfachen Muster: Gisela betritt eine Bank, zückt eine Waffe, lässt sich Bargeld geben und flüchtet mit Peter, der vor der Bank im Auto wartet. Den beiden kommt entgegen, dass es damals noch keine Alarmknöpfe in den Banken gab. 1967 werden sie trotzdem bei dem Versuch erwischt, die Bank von Bad Segeberg auszurauben. Sie werden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und heiraten im Gefängnis.

Gisela Werler macht als die „Banklady“ seinerzeit eine steile Medienkarriere: Sie ist die erste Frau in Deutschland, die als Bankräuberin bekannt wird. Bei ihren Überfällen trägt sie stets eine blonde Perücke und eine dunkle Brille und tritt höflich, aber bestimmt auf. Der Boulevard steigt dankbar ein, schreibt von schlanken Beinen und bringt erotisch konnotierte Phantombilder. Sie wird zum Vamp stilisiert, zur Ikone wird sie sowieso.

Der Stoff ist wie gemacht für einen Spielfilm und es ist erstaunlich, dass dieser Film jetzt erst kommt. Bislang beschränkte sich die Banklady-Rezeption auf TV-Dokumentationen und eine Ausstellung im Volkskunde-Museum Schleswig. Den Film brachte die Schauspielerin Nadeshda Brennicke ins Rollen, die auch die Rolle der Gisela bekommen hat. Den Komplizen Hermann spielt Charly Hübner.

Regisseur Christian Alvart, der auch bei den beiden Hamburg-Tatorten mit Til Schweiger Regie geführt hat, mischt in seiner Umsetzung des Banklady-Stoffes historische Ausstattung mit kraftstrotzender Hollywood-Ästhetik. Hausfassaden und Straßenzüge aus den 1960ern fand sein Team beispielsweise im niedersächsischen Helmstedt.

Beim Sounddesign dagegen geht es eher übernatürlich zu: Wenn der Hammer des Richters auf den Tisch kracht, ist das nicht nur überlaut, sondern geht zugleich über in ein bedrohliches Grummeln. Auf der Tonspur gilt das Prinzip der ständigen Dopplung von Gefühlen und Vorgängen. Und die Kamera umkreist das Paar beim finalen Kuss im Gerichtssaal wie seinerzeit beim Finale von „Titanic“.

Nadeshda Brennickes Gisela könnte ebenso eine heutige Studentin auf Identitätssuche sein. Ihre Banklady erzählt eine voll anschlussfähige Emanzipationsgeschichte: Die Figur nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand, sie wächst und hat keinerlei Ambitionen, für irgendetwas anderes zu kämpfen, als für ihr privates Glück.

Für ein heutiges Publikum absolut nachvollziehbar ist auch, dass die Emanzipation der Banklady über die Verkleidung läuft. Gisela Werler zeigt, dass in der Mediengesellschaft nicht der unverstellte Charakter zählt, sondern der perfekte Auftritt. Damit ist sie Mitte der 1960er ihrer Zeit voraus, passt aber voll in die 2014 geltenden Konventionen.

Regisseur Alvart verkauft nicht nur das Zeitgemäße im historischen Gewand, er reizt den Stoff auch an allen Genre-Fronten aus. Sein Film „Banklady“ ist nicht nur ein Historien-, Liebes- und Coming-of-Age-Film, es ist auch ein Gangsterdrama mit klassischer Ballerei in einer coolen 1960er-Jahre-Ferienanlage an der Ostsee.

Es ist eine gute Idee, aus dem Banklady-Stoff einen Spielfilm zu machen: Die Geschichte ist gut, Schauplätze und Requisiten sind es auch. Aber die hollywoodmäßige Überzeichnung der Geschichte tut nicht gut. Sie nimmt der Banklady ihren Charme – nicht ganz, aber fast.

„Banklady“: Kinostart 27. März
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