Kriminalität in Südafrika: Der tägliche Horror

In Südafrika steigt die Zahl von Morden und Vergewaltigungen ins Unermessliche. Sogar Präsident Ramaphosa gerät ins Zwielicht.

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa

Hat die Kriminalität in Südafrika nicht im Griff: Präsident Cyril Ramaphosa Foto: Imago

JOHANNESBURG taz | Einen Tag nach neuen Statistiken, wonach Südafrika die höchsten Mordraten der Welt aufweist, fand eine Präsidentenberaterin eine Gewehrpatrone in ihrem Briefkasten.

Phindile Baleni, Generaldirektorin des Präsidentenamtes, erhielt die Kugel zusammen mit einem Drohbrief. Sie solle Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa dazu bringen, die laufenden Untersuchungen über staatliche Korruption unter seinem Vorgänger Jacob Zuma, genannt „State Capture“, einzustellen, hieß es unmissverständlich: „Wir wissen, wo Sie entlangfahren […] Wir haben keine Angst vor den Soldaten, die Sie eskortieren.“

Damit verstärkte sich das Gefühl von Straflosigkeit in einem Land mit einer gigantisch steigenden Kriminalität. Den neuen offiziellen Zahlen zufolge verzeichnete Südafrika im ersten Quartal 2022 6.083 Morde, also 67 pro Tag – über ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum. 306 der Opfer waren Kinder, teils getötet von ihren Eltern.

Zu den Horrorgeschichten zählt die der Sechsjährigen, deren Leiche mit herausgerissener Gebärmutter gefunden wurde; des Zweijährigen, den ein 52-jähriger Mann vergewaltigte; der Dreijährigen, die von ihrer Mutter mit einem Nudelholz totgeschlagen wurde.

Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit

Ebenfalls im ersten Quartal 2022 wurden in Südafrika 10.818 Vergewaltigungen vermeldet, oder 153 pro Tag. Nie war die Brutalität vor allem gegenüber Frauen und Kindern in Südafrika so hoch wie heute. Morde an Frauen haben gegenüber 2021 um 70,5 Prozent zugenommen, an Kindern um 37,2 Prozent. Meist sind Familienstreits, selbsternannte Wachdienste, Racheakte und Raub die Gründe. Getötet wird auf Brachflächen, in Hütten, an Bars und Bushaltestellen.

Maite Nkoana-Mashabane, Ministerin für Frauen, Jugend und Behinderte, nennt die ­Zahlen die Spitze des Eisbergs. Noch viel mehr Menschen würden unbemerkt leiden. „Wir sind mit einer Schattenpandemie von Gewalt gegen Frauen und Kinder konfrontiert“, sagt sie.

Polizeiminister Bheki Cele sprach von einer dreifachen Herausforderung: Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit – drei Faktoren, die kriminelle Bandenbildung favorisierten. Die Polizei habe Verbrechersyndikate zerschlagen können, die Geiselnahme, Erpressung, Bargeldraub und Drogenschmuggel praktizieren, aber „leider haben diese Aktionen nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt“.

Die größte Oppositionspartei DA (Democratic Alliance) spricht von „90 Tagen Blutbad“. Präsident Ramaphosa berief einen Parteiengipfel ein, um über die Stabilität Südafrikas zu diskutieren.

Ramaphosa unter Verdacht

Doch der Präsident steht selbst im Zwielicht, und wie so oft in der Regierungszeit des ANC (African National Congress) in Südafrika holt ihn ein Skandal ein, der ihn das Amt kosten kann.

Enthüllungen zufolge wurden im Februar 2020 rund vier Millionen US-Dollar in bar aus Ramaphosas Farm Phala Phala in der Provinz Limpopo gestohlen – Einnahmen aus dem Jagdgeschäft, die angeblich unter Matratzen aufbewahrt wurden. Öffentlich wurde das erst, als der ehemalige Geheimdienstchef Arthur Fraser Ermittlungen gegen den Präsidenten wegen Geldwäsche, Entführung und Behinderung der Justiz einleitete.

Zuvor waren Verdächtige des Geldraubs gekidnappt und gefoltert worden. Sie waren in Namibia festgenommen worden – angeblich auf Befehl des dortigen Präsidenten Hage Geingob nach einer Bitte Ramaphosas. Nun muss der Präsident vor der Ethikkommission des ANC erscheinen. Der Skandal führt auch zu Forderungen, Ramaphosa solle sein Amt nieder­legen.

Die Affäre hat mit dem alten Machtkampf zwischen Ramaphosa und Zuma zu tun. Exgeheimdienstchef Fraser hatte 2021 die Freilassung von Jacob Zuma verfügt, als dieser wegen Missachtung der Justiz in Gewahrsam gekommen war, weil er die staatliche State-Capture-Kommission boykottierte. Frasers Vertrag wurde daraufhin nicht verlängert. Nun nimmt er Rache an Ramaphosa. Und Südafrika insgesamt gerät immer stärker ins Zwielicht.

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