Kriminologe Christian Pfeiffer zu linker Gewalt: "Brennende Autos helfen den Rechten"

Hinter den Anschlägen auf Pkws vermutet Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, vor allem ganz normale Brandstifter. Politisch könnten sie nichts bewegen

"Jede neue Tat bedeutet eine Luststeigerung": Der Kriminologe Christian Pfeiffer Bild: dpa

taz: Herr Pfeiffer, haben Sie ein Auto?

Christian Pfeiffer: Ja. Ich besitze einen neun Jahre alten Audi A4.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer ist Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Von 2000 bis 2003 war der heute 65-Jährige von der SPD zum Justizminister von Niedersachsen bestellt.

"Linke Gewalt in Berlin" heißt eine am Mittwoch von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vorgestellte Studie. Sie analysiert mutmaßlich linke Taten von 2003 bis 2008. Sie lässt sich als PDF von der Inetrenetseite des Berliner Verfassungsschutzes runterladen. Darin finden sich unter anderem folgende Erkenntnisse:

Tatuhrzeit: Linke sind nachtaktiv. Zwischen Mitternacht und

3 Uhr morgens schlagen sie zu. In der Früh um 8 Uhr muss man sich dagegen nicht vor ihnen fürchten.

Tattag: Samstag. Dann werden 32 Prozent aller Taten registriert.

Tatmonat: Mai mit allein 39 Prozent aller Taten. Den Rest des Jahres passiert eher wenig.

Tatwaffen: Der Linke benutzt die Faust. Bei 48 Prozent seiner Taten kommt er ohne Waffe aus.

Familienstand: Der linke Täter hat es nicht so mit der Ehe. Oder sie ist ihm wohl peinlich. Nur 2 Prozent der Tatverdächtigen geben, an mit ihrem Lebenspartner zusammenzuleben. Laut Meldeamt jedoch sind 5 Prozent verheiratet.

Diskussion: Die taz lädt für Mittwoch zur Diskussion "Wo brennt's? Gentrifizierung und wie man sie bekämpfen kann". Auf dem Podium sitzen Benedikt Lux (Grüne), Tim Laumeyer (Antifaschistische Linke Berlin) und Christoph Villinger (Autor und ehemaliger Hausbesetzer), Moderator ist Felix Lee (taz). Die Veranstaltung im tazcafé, Rudi-Dutschke-Str. 23 beginnt am 18. 11. um 19.30 Uhr.

Wie würden Sie es finden, wenn den Audi jemand anzündet?

Ich wäre tief betroffen. Ich liebe dieses uralte Auto mit all seinen Runzeln und Schrammen. Deshalb lasse ich die Lackschäden auch bewusst nicht reparieren. Außerdem würde ich eine finanzielle Einbuße erleiden, weil man von der Versicherung kein vergleichbares Auto erstattet bekommt.

In Berlin werden sei geraumer Zeit Brandanschläge auf Autos verübt. Zum Teil handelt es sich um sogenannte Nobelkarossen und Firmenwagen, zum Teil sind ganz normale Durchschnittswagen betroffen. Halten Sie es für politisch, Autos aus Protest gegen die Verhältnisse anzuzünden?

In Hamburg gibt es ein ähnliches Phänomen. In meinen Augen ist das null politisch. Es ist nur eine Befriedigung der politischen Ohnmacht und sonst gar nichts. Leute, die auf so etwas verfallen, haben nicht begriffen, wie Politik heutzutage beeinflusst wird.

Merkwürdigerweise gibt es kaum Bekennerschreiben zu den Brandanschlägen.

Bekennerschreiben sind für Täter immer ein Risiko. Egal wie man es macht - immer sind darin Hinweise enthalten. Aber ich bezweifle, dass das alles linksextreme, politische motivierte Täter sind. Bei den Nobelkarossen mag das teilweise so sein. Aber bei den Otto-Normalverbraucher-Autos kann ich mir das nicht vorstellen. Für einen Linken wäre es hirnrissig, das Auto eines Arbeitslosen anzuzünden und zu hoffen, dass daraus irgendein revolutionäres Potenzial erwächst.

Was ist Ihre Vermutung?

Ich vermute, dass es sich um ganz normale Brandstifter handelt. Vielleicht hat sich der ein oder andere durch die Taten der sogenannten politischen Akteure anstacheln lassen.

Was kennzeichnet einen normalen Brandstifter?

Brandstifter sind meistens Serientäter. Jede neue Tat bedeutet eine Luststeigerung. Macht ausüben. Manche haben sogar ein Hochgefühl, vergleichbar einem Orgasmus, wenn sie aus sicherer Entfernung den Anblick der Flammen und die Aufregung genießen. Dieses Tatütata, wenn Polizei und Feuerwehr kommen und sich überall die Fenster öffnen.

Was für einen sozialen Hintergrund haben solche Leute?

In der Regel handelt es sich um Menschen, die in ihrem Leben nicht allzu erfolgreich sind; die kompensieren müssen, dass sie im Alltag eher ohnmächtig und isoliert sind. Primär sind das gescheiterte, schwache Menschen, die über das Feuererlebnis die Lebensintensität spüren wollen, die ihnen abhandengekommen ist, oder die sie nie erlebt haben.

Und wie verhält es sich bei den politischen Brandstiftern?

Die hängen ein politisches Mäntelchen darüber. Letztlich sind das doch auch Leute, die ihre Ohnmacht kultivieren, die die kleinen Machterlebnisse brauchen, weil ihnen nichts Besseres einfällt.

Von Teilen der linken Szene wird das reihenweise Abfackeln von Autos als zulässiger Protest gegen die Gentrifizierung verteidigt.

Leute, die politisch motiviert einen Porsche anzünden, mögen die Illusion haben, sie würden damit die Reichen verunsichern. Aber nicht ernsthaft. Der neue Porsche ist sofort bestellt - vollkaskoversichert. Die Einzigen, die dadurch beglückt werden, sind die Taxifahrer, weil das Opfer eine Weile keinen fahrbaren Untersatz hat.

Auf einem linksradikalen Forum im Internet findet sich der Slogan: Ein brennendes Auto eine Straftat - 100 brennende Autos eine politische Aktion.

Das sind dumme Sprüche. Tatsächlich wird durch das Anzünden der Autos im konstruktiven Sinne überhaupt nichts bewegt. Erzeugt wird in der Bevölkerung ein Klima der Verunsicherung, das eher den Rechten Zulauf bringt, nicht denen, die linksradikal vor sich hin träumen.

Warum gerade den Rechten?

Die Bevölkerung ist durch die brennenden Autos verunsichert. Eine derartige Verunsicherung führt bei vielen Menschen zu einem starken Verlagen nach Sicherheit und Ordnung. Das hilft traditionell den Rechten.

Was raten Sie der Berliner Polizei?

Was die Brandanschläge auf die Nobelkarossen betrifft, wäre Standardmethode, einen V-Mann in diese Szene einzuschleusen.

Die linksradikale Szene ist ziemlich abgeschottet.

Das ist schwierig, aber nicht erfolglos. Es gibt V-Leute auch gegenwärtig schon in der linken Szene. Die sperren ihre Ohren auf, erfahren aber bisher offenbar nichts.

Und wie sollte man versuchen, den normalen Brandstiftern beizukommen?

Man kann nicht an jeder Straßenecke einen Zivilbeamten postieren. Aber man kann die Bevölkerung zur aktiven Wachsamkeit und Kooperation auffordern. Oftmals ist es der berühmte Kommissar Zufall, der hier den Durchbruch schafft. Die Berichterstattung feuert zusätzlich an. Die Presse sollte versuchen, die Opfer in den Vordergrund zu stellen: die berufstätige, alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in den Kindergarten bringen muss, weil ihr Kleinwagen ausgebrannt ist. Die Medien sollten aus den Tätern keine Helden machen. Jede Schlagzeile erhöht den Männerstolz.

Wollen Sie damit sagen, die Brandstifter sind alle Männer?

Vorsätzliche Brandstifter sind in der Regel ungebundene junge Männer im Alter zwischen 16 und 30 Jahren. Nur 11 Prozent der von der Polizei registrierten Tatverdächtigen sind Frauen, und die sind dann oft nur Mitläuferinnen - zum Schmierestehen zum Beispiel. Frauen verarbeiten Ohnmachtsgefühle, Selbstwertkrisen und Niederlagen eher konstruktiver als Männer und seltener durch nach außen gerichtete Aggression.

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