piwik no script img

Krise Polen-UkraineWer soll Polen dann noch helfen?

Kommentar von Gabriele Lesser

Karol Nawrocki will das Ukraine-Hilfegesetz aussetzen. Damit verrät Polens Präsident die Ukraine und Geflüchtete verlieren ihren Aufenthaltsstatus.

Verräter polnischer Solidarität, Karol Nawrocki will ukrainischen Geflüchteten den Aufenthaltstitel entziehen Foto: Radek Pietruszka/PAP/dpa

K arol Nawrocki, Polens neuer rechtspopulistischer Präsident, will nach seinem Veto gegen das Ukraine-Hilfegesetz nachlegen. Je schlechter für die Ukraine, desto besser für Polen, lautet seine Devise. Das hatte er schon im Wahlkampf klargemacht, als er sich wiederholt gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato aussprach, er sogar eine Acht-Punkte-Erklärung des rechtsextremen Politikers Sławomir Mentzen von der Konfede­racja unterzeichnete.

Als künftiger Präsident und dann auch oberster Befehlshaber der polnischen Armee werde er sich einer Entsendung polnischer Truppen zu einer Friedensmission in die Ukraine widersetzen, verpflichtete er sich dem rechtsextremen Parteiführer gegenüber.

Mit dem Veto gegen das Ukraine-Hilfegesetz will er der polnischen Armee den Zugang zum Internetservice Starlink kappen, den die polnische Regierung zu einem großen Teil finanziert und den die ukrainische Armee nutzt, um sich gegen Russland zu verteidigen. Nawrocki will zudem verhindern, dass die Ukraine empfindliche Daten sicher vor Hackerangriffen aus Russland speichern kann. Das Nawrocki-Veto versetzt eine Million ukrainischer Geflüchteter in Polen in Angst und Schrecken, ohne das Hilfegesetz verlieren sie Ende September ihren legalen Aufenthaltsstatus in Polen.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Außerdem legt der Präsident mit einer eigenen Gesetzesinitiative nach: Die Flagge der Ukrainischen Aufstandspartei (UPA) aus dem Zweiten Weltkrieg soll strafrechtlich mit dem Hakenkreuz und dem „Hammer und Sichel“-Symbol der Sowjets gleichgestellt werden. Für das Zeigen dieser Symbole drohen in Polen drei Jahre Haft. Damit spielt Nawrocki dem russischen Präsidenten in die Hände, das ist Hass und Niedertracht – mit einem klaren politischen Ziel: Nawrocki will die Mitte-links-Regierung stürzen und der rechtspopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Weg zurück an die Macht ebnen.

Dass diese Politik zugleich eine Einladung an Wladimir Putin ist, nach Kyjiw Warszawa zu besetzen, verdrängt ­Nawrocki offenbar. Wer sollte Polen noch helfen, nachdem es seinen Nachbarn Ukraine verraten hatte?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Polen
Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Na, läuft doch! BSW, AFD und Linkspartei reiben sich die Hände ...

    • @Demokratischer Segler:

      Wohl kaum. Nawrockis Gegner ist Deutschland. Die einzige Schnittstelle welche die PIS mit Russland gemein hat.



      Wäre Zeit für Deutschland endlich zu erkennen, welche Auswirkungen der Irrglaube Deutschlands hatte Russland in ein kooperatives Sicherheitssystem einbinden zu können.

      Wäre daher an der Zeit das Deutschland auf sich selber blickt und nicht stetig versucht alles in Einklang mit der EU oder gar den USA zu bringen.

  • Dass Karol Nawrocki das Zeigen der UPA-Flagge unter Strafe stellt, kann ich das verstehen. Schließlich ha die UPA während des Zweiten Weltkrieges mit den Nazis kollaboriert.



    Dass er keine polnischen Truppen in die Ukraine entsenden will ist nichts Außergewöhnliches. Spanien will das auch nicht.



    Wenn er den Flüchtlingsstatus der Ukraine-Flüchtlinge aufhebt, werden wir hier bald eine Million mehr Flüchtlinge begrüßen dürfen - ich sage schon jetzt "herzlich willkommen".



    Nawrocki ist halt ein typischer Nationalist, genau wie Orban, der kurzfristig denkt und den Schutz, den ein starkes und einiges Europa bieten könnte, aus dem Blickwinkel lässt. Er duckt sich vor Putin und hofft, dass dieser ihm dies dankt.

  • Putin fühlt sich als neuer Zar, seine Bediensteten (Medwedew, Lawrow etc...) reden davon, Russland in den Grenzen der Sowjetunion und/oder des russischen Reiches vorm ersten Weltkrieg wieder herzustellen. Das heisst, die baltischen Staaten, Finnland, den Kaukasus und die zentralasiatischen Staaten "heim ins Reich" zu holen. Bis 1918 gehörte ein großer Teil Polens (inklusive Warschau) auch zum Zarenreich. Im zweiten Weltkrieg wurde Polen zuerst zwischen Deutschland und der Sowjetunion (Hitler-Stalin-Pakt) aufgeteilt und besetzt, beim deutschen Angriff auf die Sowjetunion dann ganz von den deutschen Truppen besetzt. Dier Befreiung durch die rote Armee ging dann unmittelbar in eine Besatzung über, die bis 1989/1990 dauerte.



    Und das alles vergisst Nawrocki, und setzt sich der neuen Gefahr aus Russland aus? Was glaubt er, wird Putin machen, wenn dieser die Ukraine besiegt, besetzt oder als Vasallenstaat übernommen hat? Vertraut er so sehr auf die Nato, die ohne die Amerikaner in vielen Gebieten (Infanterie, Artillerie, Angriffsraketen und atomare Bewaffnung) den Russen weit unterlegen ist? Verlässt er sich auf Trump, wie die polnische Regierung 1939 auf Chamberlain und Daladier?

  • Wäre interessant zu erfahren wie durch das Verbot der UPA-Symbole, die mit den Nazis verbündet war und Massaker an Polen durchgeführt hat, die Regierung gestürzt werden soll.

  • Er macht, was er versprochen hat und eine knappe Mehrheit wollte es so.



    Das überrascht nur, wenn man sich daran gewöhnt hat, dass Politiker ihre Versprechen nicht halten oder man sich getröstet hat, dass es schon nicht so schlimm wird.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Kluge Einschätzung. Nawrocki setzt das Programm der PIS fort, welches daraus bestand Polen zum Frontstaat in einem neuen systemischen Konflikt zu machen, einhergehend mit der Schwächung der deutschen Positionen. Priorität ist eine deutsche Führungsrolle in Europa zu vermeiden und während in Deutschland noch vom Weimarer Dreieck gesprochen wird, baut Polen seine militärische Stärke weiter aus und zwar einzig unter der Prämisse der territorialen Landesverteidigung und setzt ansonsten weiterhin auf die USA.

      Gefährliche Strategie, besonders für Deutschland.

  • Hinzufügen muss man, dass diese Politik auch der Destabilisierung der dt. Innenpolitik dient. "Verunsicherte Ukrainer" haben dann nicht mehr viele Möglichkeiten, und eine naheliegende wäre, sich weiter westlich neu zu orientieren.



    Sollte die poln. Regierung stürzen und wieder zur PiS wechseln, wäre zudem die Situation der BW-Brigade im Baltikum prekär, weil Polen den Zugang über sein Territorium behindern kann.



    Bemerkenswert ist die scheinbare Annäherung an Russland. Wenn der Pole jemanden noch weniger leiden kann als Ditschl, dann den Russen.

  • Ist einschätzbar, wie realistisch es ist, dass Nawrocki bzgl. dieses Ukraine-Hilfe-Gesetzes hart bleibt/es auf die Eskalation ankommen lässt? Und ob ukrainische Geflüchtete in Polen tatsächlich das Land verlassen müssten?

    Denn wenn dem so sein sollte, dann wird man sich in Deutschland schnell nochmal auf ein paar hunderttausend Neuankömmlinge vorbereiten müssen. Zumindest wäre das der clevere Weg - nicht dass ich erwarte, dass jener gegangen würde. Vielleicht stehen bald wieder lange Schlangen von Leuten vor Erstankunftszentren, die gerade halb geschlossen sind wegen Sanierung oder allgemeinem Kapazitätenabbau...

  • Vielleicht war es doch keine so gute Idee die Ausweitung der Nato voran zu treiben.

  • Zur Flagge der UPA:

    Die UPA kollaborierte mit den Deutschen Nazis und war sogar an der Ermordnung von Juden beteiligt. Zudem bekämpfte die UPA polnische Wiederstandskämpfer und tötete bei einem Massaker 10.000 Zivilisten. So Wikipedia..

    Zur "Nichtentsendung von Soldaten":

    Das hat Merz genauso ausgeschlossen.

  • "Wer sollte Polen noch helfen, nachdem es seinen Nachbarn Ukraine verraten hatte?"



    Die NATO 🤷‍♂️



    Die USA sowieso, Stichwort Raketenabwehrschirm.

    • @Saskia Brehn:

      Ich bezweifle sehr stark, dass die USA unter Trump Polen beistehen würden, wenn Russland einen konventionellen Angriff startet. Atomar werden die Orks nicht angreifen. Es ist von den rechtspopulistischen Protofaschisten wie Nawrocki, Mentzen und der PiS sehr kurzsichtig und schlicht dumm, es sich mit den anderen europäischen Staaten zu verscherzen. Nur eine einige EU kann Russland wirksam konventionell abschrecken.

      • @Milonga:

        Polen hat inzwischen die drittstärkste Armee der Nato und ist militärisch allen europäischen Nachbarn inklusive Deutschland weit überlegen. Eine substantielle militärische Hilfe könnten Deutschland und Co sowieso nicht leisten. Deshalb hat sich Polen auch nur auf die USA und die Nato verlassen. Die EU wäre sich sowieso nie einig. Dafür sind da einfach viel zu viele Länder an Bord für die Russland geostrategisch keine eigene Bedrohung darstellt.

    • @Saskia Brehn:

      Die USA sind zuletzt nach Kräften bemüht Verbündete vor den Kopf zu stoßen und unzuverlässig zu sein. Auch wenn ich davon ausgehe, dass sie im Zweifelsfall eingreifen, würde ich nicht zusehr darauf bauen.

      Ungeachtet der USA finde ich es verwerflich und dumm sich ohne Not jemandem wie Putin anzubiedern, der sicherlich gut Lust hat Polen zumindest zu seinem Vasallen zu machen.

  • Europa braucht dringend eine Handhabe gegen seine Feinde. Da in den Verträgen dafür keine Maßnahmen wie Ausschluß aus der EU vorgesehen sind, werden die Eu-Willigen sich allmählich was überlegen müssen. Ein kollektiver Austritt aus der EU und eine Neugründung mit Rausschmießklausel wäre zu überlegen.

    • @shitstormcowboy:

      Das ist wirklich überlegenswert. Sich ständig von nationalistischen Parasiten wie Ungarn erpressen zu lassen, ist auf Dauer keine Option.

    • @shitstormcowboy:

      Bitte gleich noch den Einfluss der Regierungschefs drastisch Einschränken, Mehrheitsprinzip statt Einstimmigkeit und eine deutliche Aufwertung des Parlaments. Dann hätten wir eine Grundlage für eine moderne EU.



      Da bin ich dabei.