Krise der Printmedien in Marokko: Gratislesen verboten

Der Kommunikationsminister von Marokko plant ein Gesetz gegen öffentliches Zeitunglesen – um den Absatz zu erhöhen.

Ein Mann liest Zeitung zwischen Marktständen in Marrakesch

Marrakesch: Bald darf nur noch lesen, wer auch zahlt Foto: imago/UIG

Marokkos Kommunikationsminister Mustapha Khalfi hat die Lösung für die Krise der Printmedien gefunden. Der gemäßigte Islamist will das Zeitungslesen in der Öffentlichkeit verbieten, sofern das Druckerzeugnis nicht ordentlich am Kiosk oder bei Handverkäufern erstanden wurde. Das versprach Khalfi unlängst dem Verband der Herausgeber FNEJ.

Denn die Marokkaner haben eine geschäftsschädigende Angewohnheit, so ergab eine Studie, die Ministerium und FNEJ gemeinsam erstellt haben. Wer sein Blatt ausgelesen hat, schmeißt es nicht etwa in die Mülltonne oder in den Recyclingcontainer – nein, er lässt das Blatt auf einer Parkbank, im Bus oder auf einem Tisch im Kaffeehaus liegen. Jedes Exemplar wird so bis zu fünf Mal gelesen, ohne dafür auch nur einen Dirham zu bezahlen.

„Die Gratisleser sind eine ernsthafte Bedrohung für die Presse. Die Herausgeber leiden darunter. Ohne gesetzlichen Schutz kann gegen dieses negative Phänomen nichts gemacht werden“, erklärt Khalfi in einem Interview gegenüber der Nordafrikaausgabe der Huffington Post. Würden all die Schnorrer bezahlen, nähme die Branche 136 Millionen Euro pro Jahr mehr ein. Das Verbot soll es jetzt richten. Wie das Verbot wirksam umgesetzt werden soll, darüber schweigt sich der Minister aus.

In Marokko erscheinen etwas mehr als 600 Publikationen. 26 davon sind Tageszeitungen. Täglich werden rund 350.000 Exemplare verkauft, bei einer Bevölkerung von 30 Millionen. Der Grund für die niedrigen Auflagen: Über 30 Prozent der Marokkaner sind nach wie vor Analphabeten. Und wer lesen kann, hat meist nicht das Geld, um es für eine Zeitung auszugeben.

Es ist nicht die einzige Maßnahme, mit der Kommunikationsminister Khalfi der Presse helfen will. So soll künftig die Werbung staatlicher Stellen und öffentlicher Unternehmen besser bezahlt werden. Die Vergabe will Khalfi in seinem Ministerium zentralisieren. Auch den Onlinemedien will er zur Seite stehen, indem er mit Google und Facebook über Werbung auf den marokkanischen Nachrichtenwebseiten verhandeln will.

Die Millionen fließen nicht gratis

Ob so viel wirtschaftliche Macht über die Medien der Pressefreiheit dienlich ist, darf bezweifelt werden. Bereits vor zehn Jahren führte die Regierung Zuschüsse für die Herausgeber ein. Doch die Millionen fließen nicht gratis. Gleichzeitig wurden im Pressegesetz rote Linien festgeschrieben, die kein Journalist ungestraft überschreiten darf. Kritische Berichterstattung über die Monarchie oder die Religion ist ebenso Tabu wie das Thema der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara, die Marokko seit Mitte der 1970er Jahren besetzt.

Khalfi will jetzt einmal mehr am Pressegesetz arbeiten. Die roten Linien bleiben weiterhin bestehen. Es kommt gar eine neue hinzu: das Verbot pornografischer Inhalte. Was darunter verstanden wird und was nicht, darüber gibt der Islamist Khalfi keine Auskunft. So sehen Parteifreunde Khalfis in den Musikvideos von Shakira Pornografie. Der marokkanische Film „Much Loved“, der sich mit der weitverbreiteten Prostitution in Marokko beschäftigt, wurde verboten, und Jennifer Lopez wurde im vergangenen Jahr nach einem Auftritt bei einem Festival, das im Fernsehen ausgestrahlt wurde, gar von einem marokkanischen Bürger angezeigt.

Khalfi stellte sich hinter die Anzeige: „Das, was da verbreitet wurde, ist inakzeptabel und verstößt gegen das Rundfunk- und Fernsehgesetz. Der Organisator des Festivals ist als Komplize von der Anzeige auch betroffen“, schrieb er auf Twitter.

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