Krise des US-Medienmarkts: Im Land des Freien

Die Stimmung war noch schlechter als erwartet: Wie ein in Berlin lebender US-Journalist beim Besuch seiner Auftraggeber in seiner Heimat fast das Handtuch warf.

Auflagen im freien Fall: US-Medien Bild: dpa

Für einen amerikanischen Journalisten, der im Ausland lebt, gehört die alljährliche Pilgerfahrt zu seinen Auftraggebern in New York City zu den Momenten, die in vollen Zügen genossen sein wollen. Schließlich geht es um ein paar Stunden der uneingeschränkten Aufmerksamkeit - und üblicherweise Zuneigung - in den Redaktionen, die man im Rest des Jahres schmerzlich vermisst. Und als großes Plus gibt es einen netten Lunch in einem netten Restaurant in Manhattan noch obendrauf.

Dieses Jahr wäre ich allerdings besser zu Hause in Berlin geblieben - und hätte so die katastrophale Lage des Printjournalismus in den Vereinigten Staaten wenigstens teilweise ausblenden können. Denn ich hatte ja geahnt, dass die Stimmung schlecht sein würde - aber doch nicht so schlecht!

Das Wetter machte das Ganze auch nicht besser: Es goss die gesamte Zeit meiner Reise in Strömen. Mein Zug in die Stadt hinein hatte stundenlang Verspätung wegen der Überschwemmungen. Downtown Manhattan sah aus wie Waterworld.

Meine erste Station war Newsweek. Ich wusste von vornherein, dass es nicht gut um das Blatt steht. Das 76 Jahre alte Nachrichtenmagazin ist gerade vollauf damit beschäftigt, mit der traurigen Tatsache fertig zu werden, dass sich seine Auflage von einst 2,7 Millionen Exemplaren halbiert hat. In den goldenen Zeiten der späten 1980er-Jahre verkaufte sich Newsweek sogar 3,5 Millionen Mal.

Beim Erzkonkurrenten Time sieht es nicht viel besser aus: Von der Auflage um die 5 Millionen Hefte noch vor einem Jahr sind gerade mal 3,4 Millionen geblieben. Doch beiden Titeln, Newsweek wie Time, geht es noch wesentlich besser als Amerikas drittem wöchentlichen Nachrichtenmagazin U.S. News and World Report. Es wurde nämlich schon eingestellt.

"Wir sind nicht schlimmer dran als die anderen", sagte der für mich zuständige Newsweek-Redakteur: "Wenn das hier alles vorbei ist, werden einige von uns noch stehen, andere eben nicht mehr. Unsere Chance, dass wir zu den Überlebenden gehören, ist genauso hoch oder niedrig wie die der anderen Blätter."

Als Antwort auf die Krise hat sich Newsweek neu positioniert, vom Nachrichten-Wiederkäuer zum Lieferanten von tiefer gehenden Analysen, Kommentaren und Reportagen. Alles natürlich mit einem deutlich schmaleren Budget als zuvor - allein die Anzeigeneinnahmen waren ja im letzten Jahr um 27 Prozent zurückgegangen. "Aber wo spart ihr denn", fragte ich wenig hoffnungsvoll. Überall, natürlich auch bei den freien Mitarbeitern, war die Antwort des Redakteurs: "Aber sieh es doch von der positiven Seite: Die Washington Post zahlt für Meinungsbeiträge gar nichts mehr."

Dann ging es weiter zur New York Times. Deren Bücherseiten am Wochenende sind längst von 60 im Jahr 1989 auf heute gerade einmal 20 zusammengestrichen worden. Aber für mich hatte man dort noch Schlimmeres auf Lager: Schon im Frühjahr war das Honorar für Buchrezensionen auf einen Streich um volle 60 Prozent zusammengestrichen worden. Die freien Mitarbeiter des für uns Freelancer zuständigen NYT-Redakteurs haben seitdem zwar Zeter und Mordio geschrien, das gab er gerne zu - nur machen könne er leider nichts im Geringsten dagegen, stellte er im Gespräch klar. Und dann kam auch er natürlich mit dem Beispiel Washington Post: Deren "Book World"-Beilage in der Sonntagsausgabe sei doch schließlich komplett weggefallen. Und die LA Times aus Los Angeles, die hätte ihre Buchbeilage doch sogar schon 2007 gestrichen.

Teure Kriegsberichte

Für die großen Tageszeitungen sind das Internet und die Finanzkrise nur zwei Facetten des großen Sturms, der sie gerade beutelt. Denn auch die Kosten für die Berichterstattung vom Irakkrieg, vor allem die Ausgaben für die Sicherheit der Korrespondenten und Reporter amerikanischer Medien, übertrafen alles, womit die Verlage gerechnet hatten. Der Irak-Konflikt hat indirekt so noch ein paar "Opfer" mehr gefordert.

Mit hängendem Kopf schlich ich durch den Regen weiter zu The Nation. Deren Managing Editor Roane Carey sagte mir, man zahle leider nicht mehr für Onlineartikel, hoffe allerdings, das noch mal ändern zu können, wenn sich die Lage wieder entspannt - falls sie es denn jemals tut. Beim linksliberalen World Policy Journal schüttelte Chefredakteur David Andelman nur noch mit dem Kopf. Das Budget der Dreimonatsschrift ist derart klamm, dass das magere Honorar nur noch auf ausdrücklichen Wunsch gezahlt wird. Eine meiner linken Lieblingspostillen, In These Times, hat die Hälfte der Leute entlassen und zahlt derzeit für gar nichts. Der progressive National Catholic Reporter, früher ein Wochenblatt, kommt jetzt nur noch alle zwei Monate heraus - genau wie die New Republic.

Diese Dosis an Hiobsbotschaften dürfte wohl jedem den Tag ruiniert haben. Deprimiert latschte ich durch die teichgroßen Pfützen in eine Eckkneipe, um nachzudenken. Einige meiner Freelancer-Freunde hatten bereits das Handtuch geworfen, und ich fragte mich, ob es nicht auch bei mir an der Zeit wäre. Würde sich der Zeitungsmarkt jemals erholen, oder ist die Zeit einfach vorbei, in der man als Freelancer sein Auskommen hatte? So viel war sicher: Die Ära, in der man noch ein oder zwei Tage über seinen Ideen und Texten brüten konnte, ist vorbei.

In so viel Trübsal versunken, mit nur einem Glas Bier als Gesellschaft, blätterte ich durch das Kneipenexemplar von New Yorks Bild-Zeitung, der Daily News. Darin fand ich eine Hand voll Agenturtexte, verstreut auf Seiten um Seiten voller Anzeigen. Wenn die Wirtschaftskrise vorbei ist und wirklich nur noch ein paar Zeitungen überlebt haben sollten, wird die Daily News sicherlich eine von ihnen sein.

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