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Krise im Bio-LandbauverbandKein schöner Naturland in dieser Zeit

Der langjährige Geschäftsführer des weltgrößten Öko-Landbauverbands wurde geschasst. Jetzt soll's ein neues Präsidium richten.

Hier scheint noch alles in Ordnung zu sein: Roggenfeld eines Naturland-Bauern in Bayern Foto: Ulrich Wagner/picture alliance

München taz | Der größte internationale Ökolandbau-Verband Naturland steckt in der Krise. Auslöser sind Querelen um den Umgang mit dem langjährigen Geschäftsführer des Verbands, Steffen Reese. Am Freitagabend hatten sich die Delegierten zu einer außerordentlichen Versammlung im oberbayerischen Fürstenfeldbruck zusammengefunden, um einen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden. Ergebnis: Jetzt soll ein neues Präsidium den Karren aus dem Dreck ziehen. Mit 39 von 41 abgegebenen Stimmen wählten die Delegierten Eberhard Räder zum Nachfolger von Präsident Hubert Heigl, wie der Verband am Montag mitteilte. Heigl habe nicht mehr kandidiert.

Geschäftsführer Reese stand fast 20 Jahre lang an der Spitze des Verbands. Im Februar dieses Jahres sollen ihm laut Süddeutscher Zeitung zwei Mitglieder des damaligen ehrenamtlichen Präsidiums eine Gehaltserhöhung von 16 Prozent gewährt und eine Vertragsklausel gestrichen haben, wonach der Geschäftsführer mit 67 Jahren aufhört. Der Vertrag lief demnach auf Lebenszeit, und bei einer vorzeitigen Kündigung wäre eine stattliche Abfindung fällig geworden.

Ab Mai überschlugen sich dann die Ereignisse. Das Präsidium wurde auf der Delegiertenversammlung in Fulda neu gewählt, nur noch Verbandspräsident Heigl blieb im Amt. Und ausgerechnet dieser, so hieß es, habe von den neuen Konditionen für Reese nichts gewusst. Erst Monate später sei er zufällig auf Unterlagen zu dem Deal gestoßen, schrieb das Präsidium demnach den Delegierten in der Einladung zur Krisensitzung.

Im Juni wurde Reese dann zunächst von seinen Aufgaben freigestellt, im August wurde ihm schließlich gekündigt. Die Fachzeitschrift BIOwelt hatte damals unter Bezug auf „informierte Kreise“ berichtet, die Kündigung sei erfolgt, weil der Geschäftsführer den Kurs von Naturland und die Art der Zusammenarbeit mit der Naturland Zeichen GmbH infrage gestellt habe. Die Firma ist als Dienstleister für die Vergabe des Labels des Bioverbands zuständig. Weder Naturland noch Reese waren für Stellungnahmen zu erreichen.

Gab es eine unzulässige Begünstigung oder „Untreue“?

In dem Brief an die Delegierten warnte das am Freitag noch amtierende Präsidium laut SZ vor massiven Folgen der Affäre für den Verband. Einer ersten juristischen Einschätzung zufolge könnte der Deal als „unzulässige Begünstigung“ gewertet werden, es bestehe auch der „Verdacht einer strafrechtlich relevanten Untreue“. In der Folge könne dies sogar dazu führen, dass dem Verband seine Gemeinnützigkeit aberkannt wird.

Die vergangenen Monate seien von massiven Konflikten innerhalb des Präsidiums geprägt gewesen, räumt auch Räder ein. Der neue Präsident strebt nun eine Einigung mit Reese an. Erste „positive Gespräche“ hätten bereits stattgefunden.

Rund 4.500 Naturland-Betriebe in Deutschland bewirtschaften nach Verbandsangaben zusammen knapp 290.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche, dazu kommen noch mehr als 50.000 Hektar Wald. International betreiben Bauern auf mehr als 300.000 Hektar Landwirtschaft nach Naturland-Richtlinien.

Räder betreibt im bayerischen Bastheim einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau, Schweinemast und Biogas-Anlage. Er hatte dem Präsidium von 2017 bis 2021 schon einmal angehört.

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