Krise in Nicaragua: Zwischen Drohung und Dialog

Präsident Daniel Ortega scheint fest im Sattel zu sitzen – noch. Denn der Druck aus den USA steigt. Dort will man einen Regimewechsel.

Demonstranten mit nicaraguanischen Nationalfahnen

Protest nicaraguanischer Dissidenten gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega im Januar dieses Jahres in Costa Rica Foto: reuters

WIEN taz | „Wie Präsident Donald Trump am Montag gesagt hat, sind Ortegas Tage gezählt und das nicaraguanische Volk wird bald frei sein“. US-Sicherheitsberater John Bolton reagierte am Mittwoch mit einem Tweet auf einen Schauprozess in Nicaragua: „Das Ortega-Regime hat drei Bauernführer wegen ihrer Teilnahme an den Protesten von 2018 zu 550 Jahren Gefängnis verurteilt“.

Tatsächlich wurde Medardo Mairena, der schon vor Jahren wegen seines Widerstandes gegen ein gigantomanisches Kanal-Projekt ins Visier von Präsident Daniel Ortega geraten war, zu 216 Jahren Haft verurteilt, zwei Kollegen zu 210 respektive 159 Jahren.

Sie sollen für den Tod von vier Polizisten bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei im vergangenen Juli verantwortlich sein. Selbst der Ortega-treue Staatsanwalt hatte nur etwa ein Drittel dieser Strafe gefordert. Das nicaraguanische Strafgesetz sieht als Höchststrafe 30 Jahre vor.

Seit vor zehn Monaten landesweite Proteste gegen den autoritär regierenden Ortega sowie seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo begannen, sind zwischen 350 und 520 Menschen getötet worden. Mehrere hundert sitzen in Haft und warten auf ähnlich exemplarische Strafen wie Mairena.

Ins Exil geflohen

Demonstrationen und öffentliche Versammlungen sind verboten, Tausende Regime-Gegner sind ins Exil geflohen. Deswegen scheint Ortega wieder fest im Sattel zu sitzen.

Die jüngsten Drohungen aus Washington dürften aber Eindruck gemacht haben. Donald Trump hat ja gedroht, nicht nur in Venezuela, sondern auch gleich in Nicaragua für die Beseitigung eines sozialistischen Regimes zu sorgen.

Sicherheitsberater Bolton, der offenbar daran arbeitet, hatte schon in den 1980er Jahren eine unrühmliche Rolle in der Iran-Contras-Affaire gespielt. Damals hat eine Gruppe von Geheimdienstlern im Auftrag von Präsident Ronald Reagan über illegale Drogen- und Waffengeschäfte die nicaraguanischen Konterrevolutionäre finanziert.

Sei es, dass die Drohungen aus den USA Wirkung zeigen, sei es unter dem Druck einer wirtschaftlichen Talfahrt: Ortega hat am vergangenen Samstag Vertreter der Bischofskonferenz und des Unternehmerverbandes getroffen, um einen Ausweg aus der Krise zu suchen. Ein „nationaler Dialog“, an dem eine breite Oppositionsallianz beteiligt war, war im vergangenen Mai gescheitert. Keine Seite zeigte sich damals kompromissbereit.

Auschluss der Öffentlichkeit

Roberto Courtney, Chef der unabhängigen NGO Ética y Transparencia (EyT), plädiert in der Online-Zeitung Confidencial dafür, einen neuen Dialog unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Beim ersten Dialog, der live im Fernsehen übertragen wurde, seien nur maximalistische Forderungen ausgetauscht worden. Für echte Kompromisse brauche man eine vertrauliche Atmosphäre.

Vorbedingung für die Opposition ist allerdings die Freilassung der politischen Gefangenen. Eine Kategorie, die für Ortega nicht existiert. Für ihn sind die Häftlinge Terroristen, Aufwiegler und Mörder.

Zweifelhaft ist auch, ob Ortega sich an Vereinbarungen hält, wenn es ihm nicht mehr opportun erscheint. Im Januar hatte eine Delegation des Europäischen Parlaments unter anderem das Frauengefängnis besucht und sich ausbedungen, dass Informantinnen keinerlei Repressalien ausgesetzt würden. Wenige Tage später wurden aber, wie das Komitee für Politische Gefangene mitteilte, Insassinnen, die mit der Delegation gesprochen hatten, von Wärtern verprügelt.

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