Krise in der Ukraine: Gerangel am Verhandlungstisch

Die Regierung in Kiew schließt eine Verhandlung mit Separatisten in Genf aus. Russland besteht dagegen für eine Fortsetzung der Gespräche auf deren Teilnahme.

Hier sitzen nur Russland und die Krim am Verhandlungstisch. Ob es noch mehr werden? Bild: reuters

WIEN dpa | Eine Teilnahme der Separatisten an neuen Genfer Gesprächen zur Ukraine-Krise kommt für die Regierung in Kiew nicht infrage. „Wir vertreten als ukrainische Regierung alle Regionen der Ukraine“, sagte Außenminister Andrej Deschtschiza am Dienstag in Wien.

Zuvor hatte der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow darauf bestanden, dass bei einem neuerlichen Treffen die ukrainische Opposition mit am Verhandlungstisch sitzen müsste. Deschtschiza seinerseits erklärte, vor einer solchen Gesprächsrunde müsste sich Russland bereiterklären, die Präsidentenwahlen am 25. Mai zu unterstützen.

Beide Außenminister hatten am Jahrestreffen des Europarats in Wien teilgenommen. Am Nachmittag wollten sich beide zu einem kurzfristig anberaumten Gespräch mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Wiener Flughafen treffen. Steinmeier hatte zuletzt eine neue Genfer Konferenz ins Spiel gebracht.

Ukrainische Sicherheitskräfte haben nach Regierungsangaben in und um die Stadt Slawjansk im Osten des Landes 30 prorussische Aufständische getötet. Dies meldete der ukrainische Innenminister Arsen Awakow am Dienstag auf seiner Facebook-Seite. Darüber hinaus seien vier Regierungssoldaten ums Leben gekommen und 20 weitere verletzt worden.

Ukrainische Sicherheitskräfte hatten die von Aufständischen kontrollierte Stadt bereits vor einigen Tagen umstellt. Am Montag waren sie gegen die prorussischen Kräfte vorgerückt.

Angriff auf Regierungsgebäude

Die ukrainische Regierung versucht, den Osten des Landes wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dort halten prorussische Kräfte zahlreiche Regierungsgebäude in mindestens zwölf Städten besetzt. Sie verlangen Autonomie, einige auch den Anschluss an Russland. Der Westen vermutet die Regierung in Moskau hinter den Unruhen und hat sie deshalb mit Sanktionen belegt.

In der Hafenstadt Odessa kündigten prorussische Separatisten den Angriff auf Regierungsgebäude an. Sie wollten nach der Beerdigung des Kommunalpolitikers Wjatscheslaw Markin mehrere Einrichtungen besetzen, hieß es. Doch blieb die Lage zunächst ruhig.

Markin war am Sonntag seinen Verletzungen erlegen, die er bei einem Brand in einem Gewerkschaftsgebäude am Freitag erlitten hatte. Er und Dutzende prorussische Aktivisten hatten sich in das Haus nach Unruhen geflüchtet, dann ging es in Flammen auf.

Die USA erklärten, die Möglichkeit, dass die Regierung in Kiew die Kontrolle über die Stadt Odessa verliere, unterstreiche die Notwendigkeit einer Deeskalation der Krise. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, warf Russland vor, seinen Verpflichtungen aus dem Genfer Abkommen zur Beilegung der Ukraine-Krise immer noch nicht nachgekommen zu sein. Darin war unter anderem eine Entwaffnung prorussischer Separatisten vereinbart worden.

Das Nachbarland Moldau versetzt seine Truppen an der Grenze in Alarmbereitschaft. Die USA zeigten sich äußerst besorgt. Die Regierung der Republik Moldau nannte am Montagabend die Unruhen in der Ukraine als Grund für ihren Schritt. Die Sicherheitskräfte würden „alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die öffentliche Ordnung innerhalb des Landes sicherzustellen“, teilten Staatspräsident Nicolae Timofti, Regierungschef Iurie Leanca und der Parlamentsvorsitzende Igor Coreman in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Deutschland rät zur Ausreise

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat russische Pläne kritisiert, am Freitag eine Militärparade auf der Halbinsel Krim abzuhalten, an der vielleicht auch Russlands Präsident Wladimir Putin teilnimmt. Der 9. Mai sei für Russland als Erinnerung an den Sieg über den Nationalsozialismus ein sehr wichtiges Datum, sagte Merkel am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades.

Sie selbst sei deshalb vor vier Jahren nach Moskau gereist, um diesen Tag zu würdigen. „Ich finde es schade, wenn ein solcher Tag genutzt wird, um in einem solchen Spannungsfeld eine Parade abzuhalten.“

Die Bundesregierung rät von Reisen in den Osten und Süden der Ukraine ab. Deutschen Staatsangehörigen, die sich dort aufhielten, werde die Ausreise empfohlen, hieß es am Dienstag in den aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amts in Berlin. Die Lage in diesen Landesteilen sei zurzeit sehr angespannt.

Auch von Reisen auf die Krim werde dringend abgeraten. Die Halbinsel gehöre aus Sicht der Bundesregierung völkerrechtlich zwar weiterhin zur Ukraine, werde aber derzeit faktisch von Russland kontrolliert. Konsularischer Schutz könne deutschen Staatsangehörigen dort angesichts der aktuellen Lage derzeit nicht gewährt werden.

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