Krise in der Ukraine: Parlament stimmt für Kriegsrecht

Präsident Poroschenko erhält Sonderbefugnisse in zehn Regionen. Damit reagiert das Parlament auf den Beschuss von drei ukrainischen Marineschiffen.

Ein Soldat der ukrainischen Nationalgarde bewacht einen Kontrollposten in der Hafenstadt Berdjansk am Asowschen Meer

Stark bewacht: Kontrollposten in der Hafenstadt Berdjansk am Asowschen Meer Foto: ap

KIEW taz | Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die Ukraine das Kriegsrecht verhängt. Es tritt am Mittwoch in Kraft. 276 von 450 Abgeordneten stimmten am Montag Abend für die Annahme eines Erlasses von Präsident Petro Poroschenko, ihm in zehn Regionen Sonderbefugnisse einzuräumen.

Damit reagiert das Parlament auf den Beschuss von drei ukrainischen Marineschiffen am Sonntag im Asowschen Meer durch russische Grenzschützer. Bei diesem Angriff waren nach ukrainischen Angaben sechs Seeleute verletzt worden.

Doch während Präsident Poroschenko noch am Nachmittag vor der entscheidenden Abstimmung einen Erlass veröffentlicht hatte, der ein 60-tägiges Kriegsrecht im ganzen Land vorgesehen hatte, billigte die Rada nun ein abgeändertes Dokument, das lediglich ein 30-tägiges Kriegsrecht vorsieht. Und dies solle nur in zehn Regionen gelten.

Die Hauptstadt Kiew ist somit ebenso vom Kriegsrecht ausgenommen wie der gesamte Westen des Landes. Das Kriegsrecht gilt nun in den Gebieten von Odessa, Saporoschje, Lugansk, Donezk, Nikolajew, Cherson, Sumy , Winniza und Tschernihiw.

Hitzige Debatte im Parlament

Der Abstimmung war eine lange Auseinandersetzung vorausgegangen. Der Koalitionspartner des „Blockes Petro Poroschenko“, die „Volksfront“, hatte sich an der 60-Tages Frist gestört. Die für den 31. März vorgesehenen Präsidentschaftswahlen sehen einen Wahlkampf von 90 Tagen vor. Da aber unter Kriegsrecht kein Wahlkampf stattfinden darf, hätte die 60-Tages-Frist die Wahl selbst in Frage gestellt, argumentierten Vertreter der „Volksfront“.

Besonders lautstark hatten sich die Oppositionsparteien „Die Radikale Partei“ und die Partei von Julia Timoschenko, „Vaterland“, zu Wort gemeldet. Mitten in der Sitzung hatte sich Oleh Ljaschko, Chef der radikalen Partei, zum Podium begeben und mit sich überschlagender Stimme Parlamentssprecher Andrij Parubij um Unterbrechung der Sitzung gebeten. Man habe Beratungsbedarf.

Die beiden Parteien kritisierten, dass der Erlass von Poroschenko überhaupt keine Angaben zu den Einschränkungen der Freiheitsrechte, die das Kriegsrecht mit sich bringe, mache. Und beide Parteien, so stellten sie in der Sitzung klar, wollten kein landesweites Kriegsrecht. Sie stimmten letztendlich dem Gesetz zu. Die einzige Partei, die geschlossen gegen das Kriegsrecht stimmte, war der Oppositionsblock.

Befugnisse unter Kriegsrecht

Bei Kriegsrecht sind laut ukrainischem Gesetz die ukrainischen Behörden berechtigt, Bürgerrechte einzuschränken. Sie können Demonstrationen verbieten, die Bewegungsfreiheit einschränken, ein Verbot von Organisationen verhängen, private Wohnungen und Fahrzeuge beschlagnahmen, Bürger zur Arbeit im staatlichen Dienst heranziehen und Medien verbieten.

Karte der Ukraine mit den Gebieten, in denen Kriegsrecht verhängt wurde

Grafik: infotext-berlin

In Präsident Poroschenkos Rede vor dem Parlament, bei der auch verkündet hatte, dass er die Frist von 60 Tagen auf 30 Tage reduziert habe, erklärte er, dass es nur bei einer Aggression der Russischen Föderation auf dem Land zu einer Einschränkung von Freiheiten kommen werde. Gleichzeitig kündigte er an, einen Gesetzentwurf zu den Präsidentschaftswahlen am 31. März 2019 im Parlament einzubringen.

Unterdessen berichten russische Medien, dass die festgenommenen ukrainischen Seeleute am Dienstag einem russischen Haftrichter vorgeführt werden sollen. Die Ukraine und westliche Staaten fordern hingegen die Freilassung der ukrainischen Matrosen.

Nach Angaben von Igor Vorontschenko, Kommandeur der ukrainischen Seestreitkräfte, übe Russland auf die verhafteten Seeleute psychologischen Druck aus, so die Agentur „Interfax-Ukraine“. Dabei nutze man den Umstand, dass viele der verhafteten Seeleute Verwandte auf der Krim hätten.

Unter diesem Druck hätten die Seeleute bei FSB-Verhören Falschaussagen gemacht. So hatte ein ukrainischer Matrose in diesen Verhören angegeben, er sei sich des provokativen Charakters seiner Handlungen bewusst gewesen.

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