Kritik am Umweltgesetzbuch: Naturschutz nur, wenn er nicht stört

Die Bundesregierung verspricht, Tiere, Luft und Wasser mit dem Umweltgesetzbuch besser zu schützen. Verbände befürchten, dass das Gegenteil passiert.

Maßnahmen gegen Bodenerosion fehlen im Umweltgesetzbuch. Bild: dpa

BERLIN taz Der derzeitige Entwurf des Umweltgesetzbuches würde in der Praxis zu weniger Umweltschutz führen statt zu mehr. Mit diesem Befund gehen die Umweltverbände in die an diesem Dienstag beginnende Verbände-Anhörung zu dem Entwurf. Demnach würden beim Status des Naturschutzes, der Flächennutzung und der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft die Standards gesenkt.

"Naturschutz soll künftig nur möglich sein, wenn er nicht mit anderen Belangen kollidiert", kritisiert Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings (DNR). Er beanstandet vor allem einen Satz aus dem dritten Buch des sechsbändigen Gesetzesentwurfs. Dort steht, dass es Naturschutz geben soll, "soweit es im Einzelfall möglich" ist. Er muss gegen die "sonstigen Anforderungen" der Allgemeinheit abgewogen werden. "Der Naturschutz wird zum Lückenbüßer", befürchtet daher der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu) Olaf Tschimpke.

Auch die Industrie zeigt sich unzufrieden mit dem Entwurf. Investitionen würden teurer und langwieriger im Genehmigungsverfahren, kritisiert der Verband der Chemischen Industrie. Während sich der Verband möglichst "einfache, unbürokratische und kostengünstige" Regelungen wünscht, sehen Umweltschützer die Probleme woanders: zum Beispiel bei der guten fachlichen Praxis. Sie soll Grundsätze zum Umweltschutz in der Landwirtschaft definieren. Doch - im Unterschied zum geltenden Recht - gebe es Lücken im aktuellen Entwurf.

So müsse ein Landwirt nur noch festhalten, wie viel Dünger und Pflanzenschutzmittel sein Betrieb insgesamt einsetzt - und nicht mehr pro Feld. Das führe aber dazu, dass einige Felder nicht behandelt werden und andere dafür zu stark. "Dass der Entwurf auch die Handschrift des Landwirtschaftsministerium trägt, bedeutet hier eindeutig eine Verschlechterung", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Maßnahmen gegen Erosion und Monokulturen fehlten vollständig.

Ähnlich sieht es bei der Umwandlung von Naturflächen in Baugebiete oder Straßen aus. Hier gelten bislang drei Schritte: Vermeidung, Ersatz der Fläche durch eine andere Fläche und erst dann der finanzielle Ausgleich. Das Begleitschreiben zum Gesetzesentwurf legt eine "Flexibilisierung" nahe - so soll auch ein finanzieller Ausgleich statt des Ausgleichs durch eine andere Fläche möglich sein.

Zumindest bei dieser Regelung geht das Bundesumweltministerium jedoch nicht davon aus, dass sie es in die Gesetzesvorlage schaffen wird. Und auch in den anderen Punkten hält es sich zugute, schon vor der Anhörung eng mit den Verbänden zusammengearbeitet zu haben. "Eine Absenkung der Standards ist etwas, das wir auf keinen Fall wollen", sagt Ministeriumssprecher Tobias Dünow.

Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr für Änderungen: Im Juli will das Kabinett einen Entwurf verabschieden. Das ehrgeizige Ziel hat einen Grund: Seit der Förderalismusreform fällt der Umweltschutz unter die konkurrierende Gesetzgebung. Verabschiedet der Bund das Umweltgesetzbuch nicht, können ab dem 1. Januar 2010 die Länder die Initiative ergreifen. Und das Ziel, die Umweltgesetzgebung zu vereinheitlichen wäre wieder in weite Ferne gerückt.

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