Kritik an Delegationsreise in die Türkei: „Keine Wohlfühlpartnerschaft“

Unter Spionage-Vorwurf waren im türkischen Diyarbakir drei Fotografen in Haft. Nun stellt die CDU in Hannover eine Städtepartnerschaft in Frage.

Festnahme bei Protesten in Diyarbakir: Drei deutsche Fotografen stehen unter Spionageverdacht. Bild: dpa

HAMBURG taz |Als die drei deutschen Fotojournalisten am Montagmorgen nach 31 Stunden aus der Haft entlassen wurden, stapelten sich im Eingang der Polizeiwache der türkischen Stadt Diyarbakir schon wieder die beschlagnahmten Kameras verhafteter Kollegen, berichtet der Fotograf Ruben Neugebauer der taz.

Die türkische Polizei hatte Neugebauer und seine Kollegen Björn Kietzmann und Chris Grodotzki am Samstag bei einer kurdischen Demonstration gegen den IS-Terror festgenommen – als angebliche „Provokateure und Spione“. Das Fotografen-Trio hat sich bei Castortransporten im Wendland gefunden. Alle haben in Hannover gelebt. Grodotzki studiert dort Fotojournalismus. Die Festnahme ist in Diyarbakir kein Einzelfall: „Um freie Berichterstattung ist es hier nicht gut bestellt“, sagt Neugebauer.

Trotzdem will die Stadt Hannover ihre Pläne für eine Städtepartnerschaft mit Diyarbakir nicht auf Eis legen. Für Frühjahr 2015 ist eine Delegationsreise in die Türkei mit den Vorsitzenden aller Ratsfraktionen und Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) geplant.

Neben der kurdisch geprägten Stadt Diyarbakir soll auch die zentralanatolische Millionenstadt Konya besucht werden, mit der Hannover schon wirtschaftliche Beziehungen unterhält. An diesen Plänen habe sich „grundsätzlich nichts geändert“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt.Große Skepsis löst das bei der CDU-Fraktion aus. „Städtepartnerschaften mit türkischen Städten gehören insgesamt auf den Prüfstand“, sagt der Fraktionsvorsitzende Jens Seidel. Bisher lebten Türken und Kurden in Hannover friedlich zusammen.

Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs sollten Städtepartnerschaften eine Friedenssicherung von unten und einen Beitrag zu Völkerverständigung leisten.

Deshalb schloss Hannover Partnerschaften mit der englischen Stadt Bristol (1947) und den französischen Städten Perpignan (1960) sowie Rouen (1966).

Im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit folgte 1967 eine Partnerschaft mit Blantyre in Malawi, wo Hannover Aidswaisen hilft.

Im Kalten Krieg kamen das polnische Poznan (1979) und Leipzig (1987) hinzu.

Friedenspolitisch motiviert war die Partnerschaft mit Hiroshima in Japan.

Eine Städtepartnerschaft mit beiden Städten, Konya und Diyarbakir, könnte den innertürkischen Konflikt nach Niedersachsen holen, befürchtet Seidel. Es seien „Eifersüchteleien“ zwischen den Städten zu erwarten, wenn Hannover unterschiedliche Projekte mit ihnen umsetzte – das könnte die Menschen in Hannover gegeneinander „aufhetzen“, meint der Ratsherr.

„Sorgen und Ängste zu produzieren, ist einfach“, hält die SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Kastning dagegen. Damit der Konflikt nicht in Hannover ankomme, solle von Beginn an der Dialog mit der Stadtgesellschaft gesucht werden. In Hannover gebe es große türkisch und kurdische Communitys. „Natürlich ist es da für die Stadt von Interesse, die Beziehungen zu den Städten zu vertiefen“, sagt Kastning. Die aktuelle Entwicklung wolle sie dennoch berücksichtigen.

Die mittlerweile freigelassenen Fotografen wollen noch am heutigen Donnerstag nach Deutschland zurückkehren. „Hier steht es an der Kante zum Bürgerkrieg“, sagt Grodotzki. Grundrechte von Journalisten würde die türkische Regierung missachten. Eine „Wohlfühlstädtepartnerschaft“ dürfe Hannover daher nicht anstreben, fordert Neugebauer. „Die Partnerschaft kann aber auch die Möglichkeit bieten, solche Themen auf den Tisch zu bringen.“

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