Kritik an Edeka: Schattenseiten der Genossenschaft

Edeka lobt seine genossenschaftliche Fairness. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert hingegen Schikanen gegenüber Beschäftigten.

Nach wie vor dunkle Aussichten für die Mehrheit der Beschäftigten von Edeka. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Beschäftigten des Edeka-Centers in dem kleinen Ort nördlich von Hannover konnten zumindest einen Teilerfolg verbuchen. Nach längerem Konflikt habe sich die Inhaberin bereit erklärt, für die nächsten drei Jahre tarifliche Löhne zu garantieren, sagt der Betriebsrat. Vorher seien Neueingestellte teilweise deutlich unter Tarif bezahlt worden.

Die Schattenseite der Vereinbarung: Aushilfen bekommen weniger – nur Mindestlohn. Für Robert Kirschner, Sekretär der Gewerkschaft Verdi, ist deshalb klar: „Wir haben erst ein Etappenziel erreicht, denn wir wollen eine tarifliche Regelung für alle.“

Solche Auseinandersetzungen mit Beschäftigten, Betriebsräten und der Gewerkschaft sind nicht nur für Edeka bedeutend. Sondern möglicherweise bald auch für die Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann. Denn der Eigentümer Karl-Erivan Haub will seine rund 450 Märkte mit 16.000 Arbeitskräften an Edeka verkaufen.

Wobei die Übernahme noch nicht vom Bundeskartellamt genehmigt ist. Schließlich ist Edeka mit gut 46 Milliarden Euro Umsatz (2013) der größte Konzern des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland. Seine Macht, anderen Firmen Preise und Bedingungen aufzuzwingen, ist erheblich.

Eigentlich könnte man Edeka für ein gutes Unternehmen halten. Denn die Basis bilden neun regionale Genossenschaften, denen tausende selbstständiger Kaufleute angehören. „Edeka steht für generationenübergreifenden, nachhaltigen und ökonomisch verantwortungsvollen Handel“, schreibt die Zentrale in Hamburg. Sozialverträgliches Wirtschaften im Gegensatz zu einem ungeregelten, brutalen Kapitalismus – so stellen sich Genossenschaften in Deutschland gerne dar.

Gegenseitige Hilfe und ein fairer Umgang mit den Beschäftigten gehören angeblich zum Geschäftsmodell. Bei vielen mag das stimmen, bei anderen aber nicht. Darum, wie es bei Edeka aussieht, gibt es seit Jahren massive Konflikte, in die auch die Tengelmann-Märkte hineingezogen werden könnten.

Edeka stiehlt sich aus der Verantwortung

Der Anlass für diese Kämpfe ist die Strategie, regelmäßig Märkte, die dem Edeka-Verbund direkt unterstehen, an selbstständige Kaufleute zu übertragen. Für die zentral geleiteten Geschäfte gelten Tarifverträge. Doch die selbstständigen Unternehmer versuchen oft, den Regeln zu entkommen und die Kosten zu drücken. Das könnte auch dem Tengelmann-Personal blühen. Edeka hat bereits angekündigt: „Ziel ist es, die Standorte nach und nach an selbstständige Kaufleute zu übergeben.“ Der Konzern „stiehlt sich aus seiner Personalverantwortung“, sagt Verdi-Mitarbeiter Kirschner.

Den Edeka-Markt bei Hannover führt er als Beispiel an. Dort habe die Eigentümerin nach der Übertragung mit neuen Beschäftigten Arbeitsverträge geschlossen, die den Tarifvertrag unterliefen, so Kirschner. Die Gewerkschaft, die seit Jahren eine breite Kampagne zu Edeka organisiert, nennt viele weitere Probleme, die im Zuge der Auslagerung von Filialen aufträten.

Bundesweit würden rund 129.000 von insgesamt 328.000 Beschäftigten des Konzerns nicht nach Tarif bezahlt. Viele von ihnen hätten keinen Betriebsrat. Neben Löhnen „im sittenwidrigen Bereich“ geht es um Kameraüberwachung von Mitarbeitern oder das Verbot, in der Firma über gewerkschaftliche Aktivitäten zu informieren.

Keine Tarifbindung

Edeka-Sprecher Gernot Kasel betont: „Viele Einzelhandelsunternehmen sind aufgrund des selbstständigen Betriebs nicht tarifgebunden, orientieren sich aber an den branchenüblichen Löhnen oder gehen noch über diese hinaus.“ Er verweist auf eine Studie des Berliner Wabe-Instituts für Wirtschaftsforschung, die die gewerkschaftlich orientierte Hans-Böckler-Stiftung im Juli 2014 veröffentlichte. Darin geht es um die Entwicklung von sechs Edeka-Märkten in Ostwestfalen und Berlin im ersten Jahr nach der Übertragung.

Edeka stellt die Ergebnisse positiv dar: So seien die Umsätze und Zahlen der Arbeitsplätze gestiegen, während Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträge, tarifliche Leistungen und Mitbestimmung erhalten blieben. Doch die Wabe-Forscher kamen auch zu einigen problematischen Ergebnissen. Denn in der Mehrheit der Betriebe sank der Anteil der festangestellten Beschäftigten an der Belegschaft, während der Anteil der Aushilfen zunahm.

Auch deshalb warnt Verdi-Sekretär Kirschner davor, die positiven Ergebnisse der Studie zu verallgemeinern: „Sie präsentiert nur wenige Beispiele. Diese zeigen nicht, wie die Privatisierungen in der Mehrheit der Fälle ablaufen. Unsere Erfahrungen mit vielen Edeka-Märkten stimmen mit wesentlichen Ergebnissen der Studie nicht überein.“

Ob sich die Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann angesichts solcher Probleme wirklich Sorgen machen müssen, ist noch nicht klar. Die kritischen Stimmen zur geplanten Übernahme aus Union, SPD und von Organisationen wie Oxfam werden lauter. Immer geht es um die Marktmacht der großen Lebensmittelhändler – auch gegenüber den Produzenten in den Entwicklungsländern.

Kein Wunder: Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Metro beherrschen etwa 80 Prozent des Marktes in Deutschland. Das dürfte ein wichtiges Argument sein, wenn das Bundeskartellamt bewertet, ob Edeka weitere 450 Supermärkte schlucken darf.

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