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Kritik an Grünen wegen Atom-TransportenNein heißt ja​

Im Bundestag lassen die Grünen einen Antrag gegen Castor-Transporte durch Nordrhein-Westfalen durchfallen. Ak­ti­vis­ten und Linke kritisieren das.

Demonstration der Bürgerinitiative „Kein Atommüll“ vor dem Zwischenlager in Ahaus Ende August 2025 Foto: Guido Kirchner/dpa

Bochum taz | Im Streit über Dutzende drohende Castor-Transporte mit hochradioaktivem Atommüll durch Düsseldorf, das Ruhrgebiet und das Münsterland wächst bei Um­welt­schüt­ze­r:in­nen und Anti-Atom-Aktivist:innen der Ärger auf die Grünen. „Die Grünen haben weder den Willen noch eine Strategie, diesen Atommülltourismus zu verhindern“, sagt Jens Dütting vom „Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen“. „Nicht nachvollziehbar“ sei der „Zick-Zack-Kurs“ der Partei, kritisiert auch Hartmut Liebermann von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“, die zu einer Demonstration am 4. Oktober aufruft.

Zuvor hatten die Grünen im Umweltausschuss des Bundestags einen Antrag der Linken abgelehnt, der gefordert hatte, das Parlament solle die Transporte von rund 300.000 hochradioaktiven Brennelementen aus dem Forschungszentrum Jülich im Rheinland in das Zwischenlager im rheinischen Ahaus zu verhindern. Die damit drohenden mindestens 50 Fahrten über die maroden Autobahnen des mit 18 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen bevölkerungsreichsten Bundeslands hat das dem Bundesumweltministerium unterstehende Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Ende August genehmigt – und „Sofortvollzug“ angeordnet.

Dabei kritisieren Umweltschutz- und Anti-Atom-Bewegung die Transporte nicht nur als „gefährlich“, sondern auch als „unnötig“. Denn angeordnet wurden sie 2013 wegen angeblicher Erdbebengefahr in Jülich – doch mindestens seit 2022 ist auch dem BASE klar, dass es diese Gefahr gar nicht gibt. Verschwiegen wird das auch vom Landesverband der Grünen in Nordrhein-Westfalen, der die Transporte schon auf der Startseite seiner Website als unvermeidbar darstellt. „Wir Grüne“, beteuern sie trotzdem, „waren stets entschiedene Gegner der Atomkraft – und sind es bis heute“.

„Wir haben nicht gegen den Stopp der Transporte, sondern gegen den Antrag der Linken gestimmt“, rechtfertigt sich Jan-Niclas Gesenhues, dessen Bundestagswahlkreis Steinfurt im Münsterland liegt. „Einfach schlecht“ sei deren Antrag gewesen, sagt das Mitglied des Bundestags-Umweltausschusses. Gefehlt hätten Punkte wie „der Zugang von Initiativen und betroffenen Kommunen zu Gerichten, die aufschiebende Wirkung von Klagen und der Umgang mit dem vom BASE angeordneten Sofortvollzug“. Die Grünen hätten den An­trag­stel­le­r:in­nen eine Zusammenarbeit angeboten, sagt Gesenhues, der bis zum Ende der Ampelkoalition Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium gewesen war: „Die Linke ist darauf nicht eingegangen.“

Grüne unglaubwürdig?

„Schlicht unglaubwürdig“ sei die Argumentation der Grünen, hält die linke Bundestagsabgeordnete Mareike Hermeier dagegen: „Unser Antrag war schon eingereicht“, sagt die Sprecherin für nukleare Sicherheit. Änderungen seien nicht mehr möglich gewesen. „Die Grünen hätten sich enthalten können – oder einen eigenen oder zumindest einen Änderungsantrag stellen können.“ Der Widerstand der Grünen, findet Hermeier, beschränke sich auf „Sonntagsreden.“

Die Atommüll-Transporte trotzdem noch verhindern will der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). In einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin wehrt sich dessen NRW-Landesverband dagegen, dass das in der Hauptstadt ansässige BASE selbst die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Castor-Transporte verneint. „Es ist dreist vom BASE, auf einem sofortigen Vollzug zu bestehen“, sagt die stellvertretende BUND-Landesvorsitzende Kerstin Ciesla. Plötzlich „dringlich“ seien die Transporte auf keinen Fall – schließlich liege der Atommüll wegen der damals vermuteten, aber nicht vorhandenen Erdbebengefahr schon seit 12 Jahren ohne Genehmigung in Jülich.

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