Kritik an Islamkritik: Wenn Gymnasiasten Proleten tadeln

Warum stoßen Bücher von Menschen, die unter dem Islam gelitten haben, auf die Ablehnung der Linken? Weiß es der weiße Mann besser?

Charlie-Hebdo-Cover

Nicht ganz einfach: Kritik und Gegenkritik der Kritik und Kritik der Gegenkritik. Foto: dpa

Nichts ist davon zu halten, wenn sich jetzt wahlkampfinteressierte Politikerinnen wie Julia Klöckner (CDU) ereifern, dass ein Imam ihnen nicht die Hand geben wollte. Das Publikum soll verstehen: Na, ist das etwa nicht ein wenigstens teilweise obskurer Haufen, der da jetzt ins Land strömt? Die Leutselige in der Pose der Zwietrachtsäerin also.

Ebenso wenig überzeugt als Beitrag zu einem guten Leben in diesem Land, wenn manche die Idee hegen, an Flüchtlinge, womöglich schon durch ihre Schlepper, eine Ausgabe des Grundgesetzes auszuhändigen. Sollen bloß gleich die Geschäftsbedingungen kennenlernen – was dann wie eine Drohung klingt, nicht wie eine Verführung zu einer freiheitlichen Lebensweise.

Auch ist es ganz unnötig, dass Flüchtlinge die gleichgeschlechtliche Ehe verstehen müssen. Ist dafür nicht noch Zeit? Abgesehen davon zeigt diese Haltung, wie sehr die Belehrung und weniger das Miteinander geschätzt wird. In diesen Tagen und Wochen der Zufluchtsuche Tausender in Deutschland zählt dies zu den wichtigsten Tugenden: mal die Kirche im Dorf zu lassen.

Unschön ist es gleichwohl in puncto Belehrung, wenn ein muslimisch geprägter Autor wie Hamed Abdel-Samad ein Buch veröffentlicht, das „Mohamed, eine Abrechnung“ betitelt ist und er durch die Kritik eine fast durchweg ablehnende Haltung erfährt. Durch das Bad der Kritik muss jede*r Autor*in, aber es fällt auf, dass dieser neudeutsche Bürger besonders harsches Urteil auf sich zieht. Gar Rassismus wird ihm attestiert: Weil er pauschalisiert, weil er nicht balanciert politische Sünden des Christentums miterörtert und obendrein den Koran missverstanden habe.

Wenn ein muslimisch geprägter Autor wie Hamed Abdel-Samad ein Buch veröffentlicht, das „Mohamed, eine Abrechnung“ betitelt ist, erfährt er harsche Ablehnung

Auffällig am Stil der Kritik ist ein fast körperlich spürbarer Widerwillen von Rezensenten, sich mit einem möglicherweise akademisch weniger versierten Mann zu beschäftigen. Die Urteilskraft der Besprechungen schmeckt, so gesehen, wie der Tadel von Gymnasiasten Proleten gegenüber: ganz von oben herab.

In der Tat liest sich Abdel-Samads Text vergröbernd und bisweilen hitzig. Weshalb aber nahm kein Rezensent die Mühe auf sich, (am besten: sich) die Frage zu stellen, ob der Autor nicht ziemlich gute Gründe hat, die Welt zu sehen, wie er sie sieht: nicht gerade islamfreundlich.

Weshalb sollte er es auch? Kann der Mohamed-Kritiker nicht auf das Massaker an Journalisten bei Charlie Hebdo verweisen und auf die Tötung von Juden in einem Pariser Supermarkt? Ist es nicht verständlich, dass, allein schon seiner Biografie wegen, dieser Buchautor ernst zu nehmen ist?

Der Modus der pädagogisch vorgetragenen Rüge hat schon andere getroffen, und stets waren es, von linker Seite, Frauen (und wenige Männer), die einen gewissen Schmusipusi-Kurs mit dem Islam nicht mitmachen wollten, weil sie unter islamisch begründete Taten und Verhältnissen litten?

Die falsche Botschaft?

Weshalb trifft die linke Fatwa eigentlich so oft Frauen wie Seyran Ates, Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali oder einen Mann wie Ralph Ghadban – nur weil sie nicht der Logik trauen, dass Kritik am Islam schlechthin Rassismus befördert?

Aber, zugegeben, manche Bücher genannter Männer und Frauen sind schon starker Tobak. Doch vielleicht sind sie es gerade deshalb, weil die linke Community, bereit, jede*n Migrant*in als Freiheitskämpfer*in zu begrüßen, sie und ihre Befunde nicht ernst nehmen. Mehr noch: Sie gar zurückweisen. Kurzum: Frauen wie Ates, Kelek und jetzt der Mann Abdel-Samad müssten doch gehört werden, gerade von Linken und Alternativen, die ein buntes Land wollen.

Gälte es nicht besonders, ihnen und ihren Geschichten sich zuzuwenden – und sie nicht vom Platz zu stellen, weil einem die Botschaft nicht passt, die sie mitzuteilen haben?

Im Übrigen wandern aktuell Menschen nach Deutschland ein, die religiösen und mafiösen Höllen entkommen sind. Sie wissen, was sie an Deutschland haben möchten: Privatheit, Ruhe, ein gutes Leben. Wie sagte ein junger Syrer ins Mikro der „Tagesschau“ neulich, gefragt, was er von Frauengleichberechtigung hält: „Ungewohnt, klar, aber das geht schon. Wenn das hier so ist, ist das okay so.“ Echter ist das nicht zu haben.

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