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Kritik an Kanzler-Äußerungen hält anMerz gibt kein gutes Bild ab

Heidi Reichinnek, Chefin der Linksfraktion, spricht von einem „Offenbarungseid“ des CDU-Vorsitzenden. CSU-Chef Söder sieht „linke Kampagne“ gegen Merz.

Kritik an Merz: „Das ist ein Riesenproblem, dass er so spaltet und nicht in der Lage ist, sein Land zusammenzuführen.“ Foto: Heiko Becker/Reuters
Pascal Beucker

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Pascal Beucker aus Berlin

taz | Die Diskussion über die eigentümlichen „Stadtbild“-Äußerungen von Friedrich Merz geht weiter. Er sei „entweder zu eitel, um einfach einmal Entschuldigung zu sagen, oder er meint es wirklich so, wie es verstanden wurde“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Dienstag dem Fernsehsender ntv. „Das ist ein Riesenproblem, dass er so spaltet und nicht in der Lage ist, sein Land zusammenzuführen“, so Dröge.

Die Aussagen von Merz seien „schwer erträglich“, sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf. Es gebe in Deutschland Probleme – und die dürfe man benennen. Aber das alles immer wieder auf die Frage der Migration zurückzuführen „und da so viel miteinander zu vermengen und zu pauschalisieren – das spaltet und das zerstört Vertrauen“, sagte Klüssendorf in der ntv-Talkshow „Pinar Atalay“.

Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke forderte von seinem Parteichef einen anderen Stil. „Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut, sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Debattenkultur und eine positive Zukunftserzählung zu“, sagte der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmer:innenflügels den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Kritik kommt auch von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. „Patriarchale Gewaltstrukturen sind in Deutschland immer noch tief verwurzelt, es hilft dabei niemandem, wenn ein Bundeskanzler eine pauschale, diskriminierende Aussage tätigt“, sagte Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle der dpa. „Gewalt von Männern muss gesehen, benannt und bekämpft werden, egal wo der Täter geboren wurde oder wie er aussieht.“

Protestkundgebung vor CDU-Parteizentrale

Als „Offenbarungseid“ bezeichnete Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek den Auftritt von Merz am Montag nach der CDU-Wochenendklausur. Erst habe er von einer Abgrenzung von der AfD gesprochen, „nur um wenige Minuten später nicht nur seine rassistischen Stadtbild-Äußerungen zu verteidigen, sondern noch mehr Benzin ins Feuer zu kippen“, kritisierte sie. „Den Schutz von Frauen vor Gewalt als Argument gegen Migration ins Feld zu führen, kennen wir von Rechtsaußen nur zu gut.“ Interessanterweise höre man vom Kanzler nichts zur Stärkung von Frauenhäusern, Beratungsstellen und Präventionsangeboten.

Unter dem Motto „Wir sind die Töchter“ rief Reichinnek zusammen mit der Umwelt- und Klimaaktivistin Luisa Neubauer, der Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang, der Publizistin Carolin Emcke und weiteren empörten Frauen für den frühen Dienstagabend zu einer Protestkundgebung vor der CDU-Parteizentrale in Berlin auf.

Von „Wortklauberei“ sprach hingegen der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder und verteidigte Merz. Es sei „natürlich“ so, dass es an bestimmten Stellen vor allem in Städten Herausforderungen gebe, weil die „Integration nicht gelungen ist“. Merz müsse diese Entwicklungen als Kanzler selbstverständlich „benennen können“. Letztlich sei die Kritik daran nicht mehr als „eine linke Kampagne“, die mit bestimmten Begriffen „von der Realität abzulenken“ versuche, sagte Söder am Dienstag nach der Kabinettssitzung in München.

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