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Kritis-Dachgesetz der BundesregierungKabinett beschließt mehr Schutz für Infrastruktur

Risikoanalysen und Vorschriften sollen Versorgung auch bei Krisen und Krieg sichern. Wie nötig das ist, zeigt der Anschlag auf das Berliner Stromnetz.

Der Brandanschlag auf Strommasten in Berlin offenbart, wie verletzlich die Infrastruktur ist Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin taz | Mehr Schutz für Wasserwerke, Stromerzeuger oder Gleisknotenpunkte. Das Kabinett hat einen Entwurf für das sogenannte Kritis-Dachgesetz beschlossen, das neue Sicherheitsstandards für wichtige Infrastruktur vorschreibt. Die Opposition kritisiert die Pläne allerdings als unzureichend.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Mittwoch nach dem Beschluss: „Unser Ziel ist klar: Die Abwehrfähigkeit und Resilienz unserer kritischen Infrastrukturen muss gehärtet werden.“ Dafür werden in dem Gesetzentwurf insgesamt elf kritische Sektoren benannt, für die neue Richtlinien gelten sollen, darunter etwa Energie, Wasser, Verkehr und Ernährung. Jede Einrichtung, die zu einem dieser Sektoren gehört und mehr als 500.000 Personen versorgt, soll unter die neuen Regelungen fallen.

Vorgeschrieben wird den Betreibern etwa, dass sie Resilienzpläne anfertigen, in denen festgeschrieben wird, wie Sicherheitsvorfälle verhindert werden sollen und wie im Krisenfall reagiert wird. Dabei geht es etwa um die Anschaffung von Notstromsystemen, Fortbildungen für Beschäftigte oder den Einbau von Überwachungstechnik.

Grundlage dafür sind sogenannte Risikoanalysen, die vom Bund für ganze Sektoren durchgeführt werden und durch obligatorische eigene Analysen der Betreiber ergänzt werden. So sollen systemische Risiken wie auch Sicherheitslücken in einzelnen Einrichtungen identifiziert und dann angegangen werden.

Drohnenüberflüge und Brandanschläge

Außerdem müssen die Betreiber alle Sicherheitsvorfälle künftig auf einer zentralen Website des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) melden. Dadurch sollen die Behörden einen genaueren Überblick zur Bedrohungslage gewinnen.

Ein ähnlicher Gesetzentwurf war 2024 schon einmal vom Kabinett der Rest-Ampel beschlossen worden, fand aber keine Mehrheit mehr im Bundestag. Damals wie heute ist offensichtlich, dass das Vorhaben vor allem auf mögliche Sabotage durch russische Geheimdienste zielt. Westliche Geheimdienste warnen immer wieder, Russland führe einen hybriden Krieg und nehme dabei auch zivile Infrastruktur in Europa ins Visier. Den Geheimdiensten des Kreml werden etwa Anschläge auf Frachtflieger, Cyber­anschläge oder Drohnenflüge über deutsche Kasernen zugeschrieben.

Der Vize-Vorsitzende der Grünenfraktion im Bundestag, Konstantin von Notz, kritisierte das geplante Gesetz am Mittwoch als nicht weitgehend genug. „Es leistet eben nicht, was dringend notwendig wäre, nämlich eine Vereinheitlichung des Schutzes physischer und digitaler Kritis sowie die kohärente Umsetzung der beiden EU-Vorlagen.“ Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und der Verband kommunaler Unternehmen kritisierten dagegen in einem gemeinsamen Papier, das Gesetz schaffe zu kleinteilige Berichtspflichten. Darüber, dass es besseren Schutz der deutschen Infrastruktur braucht, herrscht bei den demokratischen Parteien aber weitgehende Einigkeit.

Wie verletzlich die deutsche Infrastruktur vielerorts ist, hatte erst am Dienstag ein Brandanschlag auf zwei Hochspannungsmasten in Berlin gezeigt. Danach waren Teile der Stadt mehrere Stunden ohne Strom. Derzeit prüft die Polizei ein linksextremes Bekennerschreiben, das im Netz aufgetaucht ist.

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