Kritische Rohstoffe: Kampfansage an China – für die Sicherheit Europas
Seltene Erden kommen bislang vor allem aus dem Reich der Mitte. Frankreich will sich mit einer Recyclinganlage für die Metalle unabhängiger machen.

„In zwei Jahren werden wir in der Lage sein, 15 Prozent der Weltmarktproduktion herzustellen“, rühmte sich Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher schon bei der Grundsteinlegung. Der französische Autobauer Stellantis ist bereits für die nächsten zehn Jahre als Partner des Projekts gewonnen.
„Caremag reagiert auf den wachsenden europäischen Bedarf an Permanentmagneten aus Seltenen Erden, vor allem im Bereich des Autobaus und der Windkraft“, schreibt das Unternehmen auf seiner Website. Rund 85 Prozent der Elektroautos und Windräder nutzen diese Dauermagneten, die aus den Seltenerdmetallen Neodym und Praseodym bestehen. Magnete seien mit Blick auf steigende Einsatzmengen und den erwarteten Rücklauf „das Seltene-Erden-Produkt mit dem größten Recyclingpotenzial“, schreibt die Deutsche Rohstoffagentur. Derzeit werden in der EU weniger als 1 Prozent der Seltenen Erden recycelt.
Ziel von Carester ist es, neben 2.000 Tonnen Altmagneten auch 5.000 Tonnen Konzentrat pro Jahr wiederaufzubereiten. Dabei soll das schon vorraffinierte Konzentrat wieder in reine Seltene Erden verwandelt werden. Wenn Carester diese Zahlen erreicht, wäre es die größte Industrieanlage Europas für eine solche Wiederaufbereitung, die gerade für grüne Technologien entscheidend ist. Auch wenn der Gesamtbedarf in Europa noch deutlich höher ist: 2024 importierte allein Deutschland rund 15.000 Tonnen Permanentmagnete mit Seltenen Erden aus China.
EU will Kontrolle gewinnen
Der Weltmarktführer baut knapp drei Viertel der weltweit extrahierten Seltenen Erden ab und verursacht dabei schwere Umweltschäden. Auch gut 90 Prozent der Raffinierung erfolgen dort. Die EU versucht deshalb, mit dem Gesetz zu kritischen Rohstoffen die Abhängigkeit von dem asiatischen Land zu verringern. So soll bis 2030 Recycling mindestens ein Viertel des jährlichen Bedarfs an strategischen Rohstoffen abdecken. Frankreich geht hier also mit gutem Beispiel voran.
„Wir können es uns nicht erlauben, von einem Land abhängig zu sein, das nicht mit unseren Werten und strategischen Interessen übereinstimmt“, mahnt Pannier-Runacher. Präsident Emmanuel Macron fordert schon seit Jahren, dass die EU unabhängiger von anderen Weltmächten werden müsse – nicht nur in der Verteidigung, sondern auch, was die Energieversorgung angeht.
China setzt seine Seltenen Erden immer wieder als Druckmittel ein. Im jüngsten Handelskonflikt mit den USA erließ das Handelsministerium strenge Exportkontrollen für einige dieser kritischen Rohstoffe. Auch Japan war bereits Opfer der chinesischen Handelspolitik: 2010 stoppte die Regierung in Peking wegen eines Territorialstreits für ein paar Wochen die Ausfuhr von Seltenerdmetallen in das Nachbarland. Seither sucht die japanische Regierung in anderen Ländern nach neuen Lieferquellen.
Auch Deutschland ist vorn dabei
In Lacq investieren die staatliche Agentur für Metalle und Energiesicherheit und das Energieunternehmen Itami nun 110 Millionen Euro und erhalten dafür die Hälfte der Produktion. Die französische Regierung übernimmt den Rest der Finanzierung der 216 Millionen Euro teuren Anlage, in der 92 Menschen arbeiten sollen.
Die Fabrik in Lacq ist nicht die einzige, mit der sich Mitgliedsstaaten der EU bei den kritischen Rohstoffen von China lösen wollen. Die aktuell größte Recycling-Anlage betreibt die Heraeus-Tochter Remloy im sachsen-anhaltischen Bitterfeld. Auch in Großbritannien, Schweden und Slowenien gibt es Pilotanlagen zur Wiederverwertung. Frankreich ist auch in weiteren Prozessen engagiert. In La Rochelle am Atlantik weihte die belgische Chemiegruppe Solvay im April eine Produktionsanlage ein, in der sie Seltene Erden aus Südamerika und Australien oder recyceltes Material weiterverarbeitet. Solvay und Carester haben ein Protokoll unterzeichnet, das in Zukunft eine Zusammenarbeit ermöglichen soll. „Man muss damit aufhören, Motoren mit Permanentmagneten nach China zu schicken“, forderte Solvay-Chef Philippe Kehren in der belgischen Zeitung L’Echo.
Eigene Minen zum Abbau Seltener Erden dagegen gibt es in Europa bisher nicht. Zwar wurden in Skandinavien große Vorkommen entdeckt, aber die Umweltschäden lassen viele Länder vor einem Abbau zurückschrecken. Frankreich hat Vorkommen in der Bretagne und im Zentralmassiv. Von einem Abbau ist auch dort nicht die Rede.
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