Kritischer Journalist gesperrt: Twitter lernt, was ein Shitstorm ist

Über die Olympiaberichterstattung im Fernsehen schimpft ein Journalist auf Twitter. Dann wird mit schwacher Begründung sein Account suspendiert.

Twitter muss auch manchmal noch lernen, wie das Internet funktioniert Bild: dapd

BERLIN taz | Guy Adams ist ein Reporter mit starken Meinungen, die er auch gerne kundtut. Der für den britischen Independent tätige Journalist hat jetzt erfahren dürfen, was passiert, wenn er sich mit den falschen anlegt, und sei es nur auf Twitter.

Der Kurznachrichtendienst suspendierte den Account des Journalisten, nachdem er in der Nacht von Freitag auf Samstag die Olympiaberichterstattung – genauer: die Nichtberichterstattung – des amerikanischen Fernsehnetzwerks NBC mit zum Teil recht wütenden Tweets kommentierte.

Anlass für die Kritik war die versetzte Ausstrahlung der Eröffnung in den verschiedenen Zeitzonen der USA. „Ich habe 1.000 Kanäle auf meinem Fernseher. Nicht einer davon wird die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele live zeigen. Weil NBC totale, totale Miststücke sind“ („utter, utter bastards“). Diese zeitliche Staffelung wird praktiziert, um die maximalen Werbeeinnahmen für das Ereignis zu erzielen. Adams nennt das „widerliche Geldschneiderei“.

Ebenfalls beschwerte er sich über die peinliche Ignoranz und Uninformiertheit der Moderation, der zum Beispiel zum Teilnehmerland Madagaskar nichts anderes einfiel, als dass die Insel „Schauplatz einiger kürzlich erschienener Trickfilme“ sei.

Fremde Mailadresse veröffentlicht

Der Anlass, oder nach Deutung Guy Adams, der vorgeschobene Grund für die Abschaltung seines Accounts jedoch war ein Tweet, in welchem er seine rund 4.500 Follower dazu aufforderte, dem Chef des NBC-Olympia-Teams, Gary Zenkel ihre Meinung zu sagen – per Mail. Dazu veröffentlichte er die dienstliche Adresse Zenkels.

Die Publizierung der Kontaktdaten führte nach Angaben des Dienstes zu einer Beschwerde durch NBC, nach deren Bearbeitung Twitter sich entschloss, den Account zu sperren, da die Veröffentlichung solcher Daten gegen die Regeln des Netzwerkes verstoße.

Nun vermutet nicht nur der so gemaßregelte Journalist, dass die Sperrung eventuell mit der geschäftlichen Partnerschaft beider Unternehmen zu tun hat; NBC und Twitter sind Medienpartner für die Olympischen Spiele. Seltsam ist auch, dass NBC auf Pressenachfragen inzwischen erklärte, dass man erst auf Drängen Twitters ein vorgelegtes Beschwerdeformular ausgefüllt habe.

Die Ignoranz gegenüber der Dynamik des eigenen Produkts überrascht denn doch etwas. Twitter sieht sich nun konfrontiert mit kritischen Tweets, die in Menge und Ärger die Relevanz der ursprünglichen Meckerei eines Journalisten weit übertreffen.

Inzwischen hat Adams das Angebot bekommen, auf Antrag seinen Account wieder nutzen zu können, was er nach eigener Auskunft gerne tun würde. Allerdings lässt er es sich nicht nehmen, auf der Webseite des Independent ein paar mehr als nur 140 Zeichen darauf zu verwenden, seine Postion darzustellen. Unter anderem erklärt er, dass sogar der gesuchte Anlass zur Sperrung einer Prüfung nicht standhält, sei doch die Mailadresse des NBC-Verantwortlichen öffentlich zugänglich und keine private Information.

Ob Twitter letztendlich aus Einsicht oder zumindest zur Begrenzung des zu erwartenden Imageschadens dieser Argumentation folgen wird, darauf warten nicht nur die inzwischen gewiss mehr als 4.500 Anhänger Guy Adams'.

Update 1.8., 9 Uhr: Guy Adams Twitter-Account ist inzwischen wieder Online und hat zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 18.000 Follower. Twitter selber entschuldigte sich für den Vorgang.

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