Kürzen, wo es schmerzt: Nur Erziehungsberatung light

Das Angebot für Eltern mit Erziehungsproblemen wurde in vielen Vierteln Hamburgs ausgedünnt. Die Stadt kann das auf lange Sicht teuer zu stehen kommen.

Familienberatung kostet Geld. Richtig teuer wird es, wenn sie fehlt Foto: Jens Buettner (dpa)

HAMBURG taz | Regionale Versorgungslücken, fehlendes Personal: Unsere Einrichtungen sind „schlecht aufgestellt“, klagt die Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung (LAG), in der alle Beratungsstellen organisiert sind. In Hamburg gibt es derzeit zwölf von ihnen in kommunaler Regie, die durch acht weitere in freier Trägerschaft ergänzt werden. Ihre Hilfe nehmen pro Jahr 7.500 Familien und vor allem alleinerziehende Eltern in Anspruch.

Finanziert werden die Beratungsstellen größtenteils aus Bezirksmitteln. Weil die klammen Bezirke aber an allen Ecken und Enden sparen, gebe es inzwischen große lokale Versorgungslücken, sagt LAG-Vorstand Horst Immelmann. Und dort, wo es noch Angebote gibt, existiere eine „Tendenz zur Erziehungsberatung light“ weit unterhalb anerkannter Qualitätsstandards. Auch würden die Sozialen Dienste dazu übergehen, Eltern mit Erziehungsproblemen an private Therapeuten zu vermitteln. So würden die entstehenden Kosten auf das Gesundheitssystem verlagert.

Die LAG kritisiert, die zuständige Sozialbehörde verfüge „über keinerlei Mittel, die Gestaltung der Erziehungsberatung fachlichen Gesichtspunkten entsprechend zu steuern“. Eine Mindestanzahl von Beratungsstellen pro Bezirk und von Fachkräften pro Beratungsstelle sei für sie nicht durchsetzbar.

Besonders eklatant sieht es laut LAG im Bezirk Mitte aus. Weder in Billstedt noch in St. Georg oder St. Pauli gibt es eine kommunale Erziehungsberatung. Nur die Caritas und das Diakonische Werk machen hier entsprechende Angebote.

Doch die kirchlichen Träger haben keinen niederschwelligen Zugang – ihre Beratung muss in jedem Einzelfall durch den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) bewilligt werden. Genau solche Beratungshürden hatte der Rechnungshof bereits 2011 kritisiert und schnelle Abhilfe gefordert.

Aus dem Jugendamt Hamburg-Mitte aber verlautet: „Aus unserer Sicht ist die Versorgung, wenn auch mit Einschränkungen, ausreichend.“ Dabei liegt die einzige kommunale Erziehungsberatunsstelle des Bezirks auf der anderen Seite der Elbe – in Wilhelmsburg. Sie aber ist nur für Familien aus Wilhelmsburg und von der Veddel zuständig, ihr Bestand zudem gefährdet. Denn zum Jahresende scheiden zwei der drei Mitarbeiter aus Altersgründen aus.

„Es gibt keine Signale, dass diese Stellen neu besetzt werden“, sagt Stephan Baerwolff von der LAG. Das Bezirksamt hingegen verspricht, dass die Beratungsstelle ohne Einschränkungen fortgeführt wird und die „demnächst vakanten Personalstellen zur Nachbesetzung“ anstünden. Doch obwohl die Zeit drängt, gibt es bislang keine Ausschreibung.

Trist sieht es auch in Wandsbek aus: Nach Angaben der LAG wurden in Hamburgs einwohnerstärkstem Bezirk die Mittel für die Erziehungsberatung seit 2013 von 2.3 Millionen Euro auf 750.000 Euro jährlich reduziert. Der Standort Bramfeld fiel ganz weg, anderswo wurden die Beratungskapazitäten stark reduziert.

Dabei zeigen zahlreiche Studien: Rechtzeitige Erziehungsberatung macht teure Hilfen zur Erziehung später oft überflüssig. Durch einen Ausbau der Erziehungsberatung könnte Hamburg Millionen sparen.

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