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Kürzungen im KulturbetriebKunst ist für alle da, und alle brauchen Kunst

Berlins Bürgermeister behauptet, Kassiererinnen würden nicht in die Oper gehen. Er baut damit eine mentale Barriere aus, an der auch Linke arbeiten.

„Staatsoper für alle“ am 22.06.2025 auf dem Bebelplatz in Berlin ist kostenlos und sehr beliebt Foto: MaurizioGambarini/Funke/imago

D ie Verteidigung von Kunst und Kultur rückt auf meiner politischen Dringlichkeitsliste immer weiter nach oben. Ich bin nicht nur gegen Kürzungen, sondern für einen Ausbau der Kulturlandschaft und Aufstockung der Mittel.

Theater und Museen sind Orte, an denen Menschen zusammenkommen. An denen gemeinsam gesehen und gefühlt, analysiert und diskutiert wird. Um Menschen zusammen- und miteinander in Austausch zu bringen, braucht es reale Begegnungsorte in der Stadt: Orte, die keine Shoppingcenter sind. Das Internet verbindet uns wohl doch nicht.

Doch kaum geht es darum, dass Kultur-Orte auch finanziert werden müssen, fällt der Vorwurf, die Kunst sei elitär und diese Einrichtungen, obwohl oft mitten in der Stadt, seien gar nicht für alle da. Wenn man diesen Elitarismus-Vorwurf oft genug wiederholt, wird er auch wahr.

Wer Theater, Opern und Museen immer wieder als Orte des Bildungsbürgertums framed oder behauptet, Kunst sei nur etwas für Akademiker*innen, signalisiert allen anderen, sie würden dort nicht hingehören. So werden mentale Barrieren geschaffen, die davon abhalten, Kulturangebote wahrzunehmen.

Wenn Berlins Bürgermeister behauptet, Kassiererinnen würden eh nicht in die Oper gehen, sagt er eigentlich, dass er sich nicht vorstellen kann, in der Oper neben einer Kassiererin zu sitzen. Und als Ex-Senator Chiallo darauf verwies, die Kultur würde immerhin von ganz normalen Leuten finanziert, implizierte er damit nicht nur, dass Leute, die im Kulturbereich arbeiten, keine normalen Leute sind. Er sagt auch, dass normale Leute nichts von Kultur haben. Wer für die CDU noch als normal gilt, ist schwer zu sagen. Klar ist aber: Kürzungen in der Kultur führen zu einem weniger breiten Angebot und höheren Eintrittspreisen. Dadurch werden Veranstaltungen tatsächlich elitärer.

Viele wissen nichts von Sozialtickets oder den solidarischen Preismodellen

Für Konservative ist es taktisch klug, immer wieder das Elfenbeinturm-Argument anzuführen. Denn es ist anschlussfähiger, als zu sagen: „Die Kunst ist uns zu antikapitalistisch, zu feministisch und außerdem zu sinnstiftend und verbindend.“ Der Widerstand gegen die Kürzungen wäre wesentlich breiter. Doch Zeug für reiche Bildungsbürgis zu unterstützen, das finden auch Linke uncool.

In der Kultur wird mehr für Zugänglichkeit getan, als in vielen anderen Bereichen. Im direkten Gespräch fällt mir auf, dass viele die Eintrittspreise für Theater nicht nur generell zu hoch schätzen, sondern auch nichts von Sozialtickets oder den solidarischen Preismodellen wissen. Positive Veränderungen kommen nur langsam in der Öffentlichkeit an: Wer lange ausgeschlossen wurde, braucht eine Weile, um eine Institution als Ort wahrzunehmen, die man auch nutzen kann.

Es hat mich viel Arbeit gekostet, Menschen aus Schwarzen Communitys ins Theater zu locken, nach den Rassismuserfahrungen, die viele bei früheren Besuchen gemacht haben. Ich erlebe immer wieder, dass behinderte und neurodivergente Personen gar nicht auf die Idee kommen, auf Theaterwebsites nach Access-Informationen zu suchen, weil es sie so lange nicht gab.

Als Kulturschaffende sollten wir nicht nur laut widersprechen, wenn es heißt, Kunst sei nicht für alle. Wir dürfen auch nicht auf dieses Narrativ herein­fallen. Und wir müssen weiterhin Kunst für alle machen und auch allen davon erzählen.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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6 Kommentare

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  • Faktencheck: Kai Wegner hat gesagt: „Ist es richtig, dass die Verkäuferin im Supermarkt, die wahrscheinlich eher selten in die Staatsoper geht, mit ihrem Steuergeld diese Eintrittskarten allesamt mitsubventioniert?“



    Warum sollte man einen Ort subventionieren, an dem sich am Ende die Reichen sonnen und der problemlos ohne Förderung auskommen könnte? Gleichzeitig hat er gesagt das bestimmte Angebote wohl immer subventioniert werden müssen und das ist ok.

  • Natürlich ist die Aussage, dass die Kassiererin nicht in die Oper geht in dieser Pauschalität nicht korrekt; es wird sie auch geben. Nichtsdestotrotz bleibt die Aussage in der Tendenz richtig, wenn man sie so versteht, dass das Opernpublikum in der Gesamtheit sowohl vom Bildungsabschluss als auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit weit überdurchschnittlich sind. Und ich lehne mich sicher nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass der Anteil der CDU Wähler unter den Operngängern überdurchschnittlich ist. Insofern scheint mir die Autorin hier absichtlich missverstehen zu wollen; erstaunlich, wo sie doch an anderer Stelle selbst sagt, welche Berühungsängste in ihrer schwarzen Community berichtet. Man könnte also auch anerkennen, dass die CDU ihrer eigenen Klientel ans Leder will. Davon abgesehen stimme ich der Autorin zu, dass Kultur wichtig. Aber man darf durchaus anerkennen, dass bestimmte Kulturformen ein vorwiegend ein bestimmtes in sich eher homogenes Publikum anziehen. Das ist aber nicht per se verwerflich wie ich finde.

  • Welche unglaubliche Arroganz spricht aus den Worten des Bürgermeisters!!? Ist also der Kluturbetrieb nur für "Eliten" da? Soll der Plebs draußen bleiben - meint er das?

    • @Perkele:

      Sie könnten u. a. Paul Willis’ Learn to Labour lesen, das dürfte Ihr Differenzierungsvermögen bei ‚Klassenantagonismen‘ schärfen. Oft genug wollen Teile niedriger Schichten gar nicht zu hochkulturellen Veranstaltungen – das ist oft komplexer, als Sie es in Ihrem relativ "schlichten" Kommentar darstellen. Sollten Sie Sarkasmus wahrnehmen, können Sie ihn behalten.“

  • Wenn Berlins Bürgermeister sagt, dass eine Kassiererin nicht in die Oper geht, zeigt es das politische Versagen auf der ganzen Linie angefangen von der Schule, wo Musik- und Kunstunterricht häufig als Erstes ausfallen und im weiteren Verlauf des Lebens man unterstellen könnte, dass es den "Konservativen" nicht daran gelegen ist, dass auch "einfache" Bürger sich an Kunst und Kultur erfreuen.



    Das gehört radikal geändert. Wir als Gesellschaft haben versagt, wenn bestimmten Teilen der Zugang sowohl finanziell wie auch intellektuell perpetuiert versagt bleibt. Es sollte als Challenge in der Politik verstanden werden "die Kassiererin" oder den "Baggerfahrer" den Zugang in's Konzerthaus, Oper und Museum bezahlbar und erlebbar zu machen, nicht das Gegenteil. Kunst, Kultur und Literatur sind nicht Nice to have, es ist gesellschaftliche Kohäsion. Zivilisation ist ohne Kultur nicht möglich.



    Wieso nicht Museumspädagogik für angeblich "bildungsferne" Erwachsene? Ach so, das liebe Geld.

    • @Hatespeech_is_not_an_opinion:

      Es ist richtig, dass Zugangshürden abgebaut gehören und dass Hauptverantwortung und Möglichkeiten dafür bei den höheren Klassen (Oberklasse + Mittelklasse) liegen. Sie verkennen aber, dass sich niedrigere Klassen und Mikrokulturen teils bewusst bestimmten Kulturformen, Veranstaltungen und Institutionen widersetzen – teils auch mit nachvollziehbaren Gründen (Klassikkonzert).



      Und das geschieht auch in anteiliger Eigenverantwortung, indem bestimmte Kulturformen bevorzugt werden. Diese Unterscheidungen schaffen „gesellschaftliche Kohäsion“, auch wenn Ausschlüsse vorhanden sind.



      Demokratisch wäre z. B. ergebnisoffenes Sozialisieren im Musik- und Kunstunterricht, nach dessen Besuch man mündig und möglichst „frei“ entscheiden kann, welche Kulturformen, Veranstaltungen und Institutionen man annehmen möchte. Ethik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Geschichte dürften für mündige Bürger*innen aber eher noch wichtiger sein.



      Ein Teil der Wertigkeit von Kunst und Literatur entsteht auch oft genug durch ihre Sperrigkeit, welche zur geistigen Tätigkeit und Reflexion anregt und u. a. Ambiguitätstoleranz fördert. Das lässt sich kaum „verordnen“.



      Ihre Kulturvorstellung wirkt so zu normativ.