Küstenländer fordern mehr Schutz für Schiffe: Begehrte deutsche Reeder

Die fünf norddeutschen Küstenländer fordern vom Verteidigungsministerium mehr Anstrengungen im Anti-Piraten-Kampf. Die beiden Fregatten können nicht von eigenen Versorgungstankern angelaufen werden.

Überfallen laut einem Bericht der Bundespolizei am liebsten Handelschiffe deutscher Reeder: Piraten. Bild: dpa

HAMBURG taz | Große Koalition für die Interessen deutscher Reeder auf hoher See vor Afrika. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) und Niedersachsen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) werfen dem Verteidigungsministerium erneut Versäumnisse bei der Bekämpfung der Seepiraterie vor. Die Bundesregierung habe für die EU-Mission Atalanta die Entsendung von 1.400 Soldaten zugesichert, bisher seien jedoch nicht einmal 500 Soldaten im Einsatz, beklagt Neumann. "Obwohl Deutschland die EU-Mission Atalanta leitet, ist unsere Marine nicht in der Lage, ihre beiden Fregatten mit Versorgungsschiffen zu unterstützen", sagt Neumann. "Das ist eine Farce."

Der Konflikt zwischen den Landesministern und dem Verteidigungsministerium ist nicht neu. Bereits Anfang des Monats hatte die Innenminister der fünf norddeutschen Küstenländer das Thema Piraterie bei einem Treffen in Hannover auf die Agenda gesetzt. "Es ist notwendig, ein deutliches Signal zu setzen", sagte Neumann (SPD) im Anschluss an das Meeting.

Basis der Alarmstimmung ist ein Bericht der Bundespolizei für das zweite Quartal 2011. Demnach sind Handelschiffe deutscher Reeder das Lieblingsziel von Seepiraten. "Bei einer Gesamtzahl von 266 Pirateriefällen waren Schiffe deutscher Reedereien mit 33 Vorfällen weltweit am häufigsten betroffen", heißt es dort.

Die moderne Piraterie hat nach Auffassung der Versicherungswirtschaft für die maritime Industrie einen relativ geringen Stellenwert.

Moderne Piraten - wie vor Somalia - sind keine klassischen Kriminellen, wie der zurzeit in Hamburg laufenden Prozess gegen zehn junge Somalier wegen der Entführung des Hamburger Frachter "Taipan" zeigt.

Pure Hungersnot hatte die Somalier zu der Tat getrieben.

Nach der Prognose der Bundespolizei werde "mit dem Ende des Sommermonsums ab September wieder mit einer deutlichen Zunahme der Aktivitäten der somalischer Piraten gerechnet". Seit drei Jahren sei die Zahl der entführten Seefahrer dramatisch gestiegen. 2010 starben acht der fast 1.200 als Geiseln genommenen Besatzungsmitglieder und Passagiere. Neumann kritisierte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) für dessen zögerliches Vorgehen harsch. "Es spricht sich offensichtlich in der Piraterie-Szene herum, dass sich Schiffe unter deutscher Flagge nicht zu wehren wissen", sagte Neumann.

Und auch Schünemann ist nicht wortkarg. "Dass Deutschland die eigenen Fregatten nicht durch Tankschiffe versorgen kann, ist ein Armutszeugnis", sagte er der Zeitung Die Welt. Dieses müsse das Verteidigungsministerium sofort abstellen, sonst "verlieren wir international viel Ansehen".

Der Grund ist laut Kieler Nachrichten ein Konflikt um das Arbeitszeitgesetz für angestellte Seeleute, so dass die vier Marine-Tanker zurzeit nur in der Nord- und Ostsee operieren und nicht mehr zur Versorgung ins ferne Somalia geschickt werden dürfen.

Schünemann schlägt überdies ein Kombi-Modell für den Anti-Piraten-Kampf vor, indem auch private Sicherheitsdienste zum Einsatz kommen sollen - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diese von der Bundespolizei zertifiziert worden sind.

Doch da ist Hamburgs Innensenator und Bundeswehr-Oberleutnant der Reserve "dogmatisch", wie Neumanns Sprecherin Svantje Glissmann auf taz-Anfrage erläutert. Hoheitliche Aufgaben wären nicht durch private Sicherheitsdienste wahrzunehmen, womit auch das Verteidigungsministerium liebäugelt, sondern durch die Bundespolizei oder der Marine, sagt Glissmann. Daher müsse das Verteidigungsministerium mehr tun für die deutschen Schiffe und endlich das zugesagte Kontingent an deutschen Marine-Soldaten entsenden.

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