Kulinarik für den Knast

Der Verein Freiabos für Gefangene e. V. bringt nicht nur die taz hinter Gitter, sondern auch Kochprojekte für inhaftierte Frauen. Ein Erlebnisbericht aus erster Hand.

So sieht der „kulinarische Genuss“ in einer JVA üblicherweise aus: lauwarmes Essen, ausgekellt vom Wagen und in die Zelle gereicht Bild: dpa

von MARAH HAMBRECHT

Vor dem Kochtermin in der Vollzugsanstalt haben wir gemeinsam zur Probe gekocht. Wir testen, ob die Rezepte gut sind und die Mengen stimmen. Da wir drei vegetarische Gänge zubereiten wollen messen wir, ob und wie wir alles in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffen können. Dann bebildern wir die Rezepte, drucken sie aus und schicken eine „Einbringliste“ aller Zutaten vorab an die Justizvollzugsanstalt.

Zum Kochtermin treffen wir uns vor der JVA, alle benötigten Zutaten haben wir dabei. Wir schließen unsere privaten Sachen und die Handys ein, dann werden wir zur Küche begleitet.

Wir müssen durch den Hof, er ist schön und die Fenster zum Hof sind bodentief. Der Kochbereich ist groß und modern. Alles ist da, was wir brauchen. Außer den Küchenmessern, die werden uns gesondert ausgehändigt.

Drei Gänge und es scheint sogar allen zu schmecken

Wir bereiten uns vor, und schon kommen die Frauen. Die Aufgaben werden verteilt, wir kochen diesmal ein Kürbismenü, also ist zunächst Kürbisschnippeln angesagt. Die Essensvorbereitung funktioniert einwandfrei, und wir sind gut in der Zeit.

Wir essen entspannt, drei Gänge, und es scheint allen zu schmecken. Das ist nicht immer der Fall! Die Anwesenden kommen aus verschiedenen Ländern, sodass es auch schon vorgekommen ist, dass sie manches, was wir gemeinsam kochen nicht mögen. 10 Frauen hatten sich angemeldet, aber dieses Mal kommen nur 4. Manche Frauen sprechen viel, manche wenig.

Wir unterhalten uns auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch. Eine Frau erzählt vom Abrutschen in die Drogenabhängigkeit, von ihrer Geldstrafe, von der baldigen Entlassung. Sie erzählen, dass sie außer dem Kunstkurs und dem Kochen keine weiteren „Freizeit“-Angebote haben.

Die Spülmaschine läuft, die Messer sind abgezählt

Wir sind sieben Personen und haben für dreizehn gekocht, also zu viel: Das restliche Essen wird unter den Frauen aufgeteilt, sie dürfen es auf ihre Stationen mitnehmen. Die Inhaftierten können nur zweimal im Monat für sich Lebensmittel über den Anstaltshändler einkaufen, ansonsten werden sie über das Anstaltsessen versorgt. Wir kochen günstig. Ein Essen für bis zu 12 Personen kostet nicht mehr als 35,00 Euro. Am Ende bekommen die Frauen die Rezepte mit zum Nachkochen.

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Die Küche ist sauber. Die Spülmaschine läuft, die Messer sind abgezählt. Die Frauen werden von einer Beamtin wieder abgeholt, und wir verabschieden uns. Wir werden gebeten, das nächste Mal „was mit Gorgonzola“ zu kochen.

Wir gehen wieder durch den Hof, es ist dunkel und „unsere“ Frauen winken uns von ihren leuchtenden Fenstern zu. Wir scherzen noch ein bisschen mit dem Beamten an der Pforte, versuchen ihm unsere Rezepte zuzustecken, aber er winkt ab, er kocht nicht. Und dann gehen wir raus, ins Dunkle, und fahren nach Hause.

Ein Stück Normalität auf Zeit

Wir, das ist eine Gruppe von 10 Ehrenamtlichen – neun Frauen und ein Mann. Zwei aus der Gruppe kochen einmal im Monat in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Berlin-Lichtenberg gemeinsam mit Inhaftierten. Die zwei Ehrenamtlichen, die zum Kochtermin gehen, suchen die Rezepte aus, testen sie und kaufen für das Kochen ein.

Es ist kein Kochkurs, den wir in der Vollzugsanstalt anbieten, auch weil wir immer wechselnde Teilnehmerinnen haben. Unsere Zielgruppe in der Anstalt hat eher kurze Aufenthalte dort, weswegen es auch schwierig ist, eine feste Gruppe aufzubauen. Wir bieten den Frauen für ein paar Stunden ein Stück Normalität an – und leckeres Essen!