Kulturförderung: Zuschuss zur Passion

Mit dem Musicboard will Berlin ab 2013 die Musikszene fördern. Wie genau das Vorhaben ausgestaltet wird und wer profitiert, ist noch vollkommen unklar.

Berlin will den breiten Dialog mit der Musikszene. Bild: DAPD

Es gibt das hartnäckige Vorurteil gegenüber populärer Musik, sie sei die demokratischste aller Kunstformen. Dieses Vorurteil hat viele Facetten: Da ist zum Beispiel das Klischee des Underdogs, der nur im Pop seine Chance bekommen kann. Dann ist da die Auffassung, im Pop habe nur jene Musik Existenzberechtigung, die sich gut verkauft und ergo trägt. Auch melden sich noch immer Musiker zu Wort, die sich lieber in prekärsten Verhältnissen durchwurschteln, als einen Förderantrag zu stellen. Und trotzdem: Wer sich zufällig am Mittwochnachmittag ins Berliner Abgeordnetenhaus verlief und anhörte, wie Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei, für sein neues Baby Musicboard warb, der konnte meinen, dieses Vorurteil gegenüber Pop begänne endlich zu bröckeln. Man glaubte einen winzigen Moment lang, die Zeiten, in denen Pop alles können musste und nichts brauchen durfte, seien endlich vorbei.

Das Musicboard, so wurde bei der fast vierstündigen Anhörung Böhnings vor eingeladenen und selbsternannten Sachverständigen deutlich, wird ab 2013 die Berliner Musikszene fördern – der Senat hat aus einem mysteriösen Hut eine Million Euro gezaubert, und das, obwohl es bereits einen schwer durchschaubaren Dschungel von kaum zu knackenden Fördertöpfen gibt, die seit Jahren immer leerer werden. Das Musicboard soll ähnlich funktionieren wie das Medienboard für Film und Fernsehen. Das ist aber auch schon alles, was sich derzeit über die Förderung sagen lässt. Weder ist klar, wer oder was genau gefördert werden soll – ob Bands oder Strukturen wie Labels oder Clubs. Noch ist klar, wie genau die Förderung gestaltet werden soll.

Ben De Biel, Gründer der Maria am Ostbahnhof, wandte zu Recht ein, ob denn weiterhin Großprojekte wie der Umzug von Universal nach Berlin vor einigen Jahren finanziert werden sollen. Oder ob auch einmal der Umzug eines kleinen Clubs bezahlt werden könne. Aktueller Anlass seiner Rede: In den vergangenen Jahren mussten zahlreiche Berliner Clubs nicht zuletzt wegen der fragwürdigen Mietpolitik des Senats aufgeben oder den Standort wechseln.

Insofern hatte Pirat Christopher Lauer auch wieder Recht, als er sich gleich zu Beginn auf seine penetrante Art beschwerte, um kurz darauf den Raum für ein Telefonat zu verlassen. Lauer verfügte, das war im Saal deutlich zu spüren, über wenig Vorschusslorbeeren – schon wegen seines kürzlich geführten Gesprächs mit dem Hamburger Musiker Jan Delay im Spiegel, wo er wenig Einsicht in die Nöte der Popmusik in Zeiten des abschmelzenden Copyrights zeigte.

Trotzdem bekam er auch Beifall. Denn Lauer monierte, es sei nicht transparent, wer aus welchem Grund an diesem Nachmittag ins Abgeordnetenhaus geladen worden sei. Damit suggerierte er, die angestrebte Erarbeitung des Musicboards im „breiten Dialog mit der Musikszene“ sei eine Farce. Allein vor dem Hintergrund der Universal-Geschichte darf tatsächlich bezweifelt werden, dass sich das Musicboard, wie es heißt, „maßgeschneidert an den Bedürfnissen der Akteure“ ausrichten wird. Vielmehr ist zu befürchten, dass hier nach wie vor Leute am Werk sind, die Pop nur förderwürdig finden, wenn er es zuvor in die Charts geschafft hat.

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