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Kulturkampf um Geschichte der SklavereiTrumps Paranoia

Die US-Regierung will vorschreiben, wie von Sklaverei erzählt werden soll. Das afroamerikanische Duo Drexciya etwa soll unamerikanisch sein.

Teil der Ausstellung im National Museum of American History. Trump drängt daruf, die Geschichte der USA positiver zu erzählen Foto: Calvin Woodward/ap

Die Smithsonian-Museen in Washington seien doch nur „das letzte Aufgebot von WOKE. TOTAL ÜBERGESCHNAPPT.“ So ereiferte sich der mächtigste Mann der Welt vor Kurzem gegen die Erinnerungskultur in seinem eigenen Land. Und geiferte weiter: Was im Smithsonian an Ausstellungen zu sehen sei, stelle einseitig dar, „dass die USA ein schreckliches Land gewesen sein sollen, wie fürchterlich die Ära der Sklaverei war und wie unerfüllt das Leben der Unterdrückten doch gewesen sei“.

Also folgerte der 79-jährige Trump, das renommierte Museum habe seinen Job verfehlt, wenn es Sklaverei so mies darstellt. Das sei unamerikanisch! Nicht nur die morschen Knochen der einstigen Skla­v:in­nen fangen jetzt zu klappern an.

Nun hat die Presseabteilung im Weißen Haus nachgelegt und bestätigt die „Einschätzung“. Unter der Überschrift „Präsident Trump hat recht“ zählt die Pressemitteilung etwa die Fotoausstellung „From the Deep – in the Wake of Drexciya“ von Ayana V. Jackson auf, die bis zum 6. Januar 2025 in Washington zu sehen war. Die Künstlerin hat sich bei ihren Farbfotografien Schwarzer Frauen von der Vorstellungswelt des US-Elektronik-Duos Drexciya inspirieren lassen.

Gerald Donald und James Stinson (1969–2002), die beiden afroamerikanischen Künstler von Drexciya, haben mit futuristischem Elektrosound, geheimnisvollen SciFi-Songtiteln und der Bezugnahme auf eine Sage aus der Sklavereiära Geschichte geschrieben. Der Mythos besagt, während der gewaltvollen Verschleppung von Menschen in die USA wurden Babys bei der Schiffspassage über Bord geworfen, die unter Wasser als „drexciaynische“ Kiemenwesen weiterlebten.

Verbunden mit Techno-Szene

Das Duo Drexciya hing eng mit der Detroiter Technoszene zusammen, die entstand, als ihre Heimatstadt Ende der 1980er wirtschaftlich am Boden lag. Mit ihrer afrofuturistischen Trope haben sie sich aus dem Ruin der einstigen Hochburg der Autoindustrie und dem strukturellen Rassismus in eine bessere Zukunft fantasiert. Wenn ihnen größere kommerzielle Erfolge auch verwehrt blieben, so sind die subaquatischen Schauplätze und Superheldennamen inzwischen sogar zu Graphic Novels verewigt. Es ist eine sehr amerikanische Geschichte.

Die Fotografien von Ayana V. Jackson zeigen Frauen in retrofuturistischen Kleidern, die auch aus dem 19. Jahrhundert stammen könnten. Sie tragen so geheimnisvolle Titel wie die Drexciya-Songs. Nichts daran ist verwerflich.

Wie paranoid Trump und seine Getreuen inzwischen zu Werke gehen, zeigt sich an solchen Nebenschauplätzen. Wenn die USA immer tiefer im Chaos versinken, braucht es bald Kiemenwesen mit magischen Kräften, um Gerechtigkeit wiederherzustellen.

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