Kulturpolitik Frankreich: Stopp in letzter Minute

Wo es dem politischen Gegner wehtut: Aurélie Filippetti, Sozialistin und neue Kulturministerin, legt ihr Sparprogramm vor.

Die Kultur bleibt trotz aller Restriktionen für Frankreich kein Nebenposten, Kulturministerin Filippetti. Bild: reuters

PARIS taz | Zum ersten Mal seit zehn Jahren wird in Frankreich der Budgetposten Kultur im Staatshaushalt nicht erhöht. Im Gegenteil, es werden drastische Abstriche nötig sein, sagt die neue Kulturministerin Aurélie Filippetti. Mehr als eine Milliarde Euro soll eingespart werden.

Die Kultur zählt nicht zu den drei Prioritäten Erziehung, Justiz und Sicherheit, die von den Restriktionen ausgenommen bleiben. Obschon Frankreich für den Schutz und die Förderung seiner Musik- und Filmproduktion in Brüssel gern auf eine „exception culturelle“ pocht, fallen diverse Subventionen und Investitionen in neue Kulturstätten den Sparzwängen zum Opfer.

Die Sozialistin Filippetti will den Rotstift dort an setzen, wo es den politischen Gegnern wehtut. Da sie jetzt die Schwerpunkte der Verwendung der mehr denn je beschränkten Mittel festlegt, gibt sie gezielt Projekte zum Abschuss frei, die den Vorgängern ein Herzensanliegen waren. Offiziell heißt das, es würden Vorhaben beerdigt oder auf unbestimmte Zeit verschoben, deren Konzept fragwürdig und deren Finanzierung überhaupt nicht sichergestellt worden sei.

Weg vom Tisch ist darum Nicolas Sarkozys sehr umstrittenes Geschichtsmuseum „Maison de l’histoire de France“, das im Pariser Marais-Quartier in den altehrwürdigen Räumlichkeiten der Archives Nationales erstellt werden sollte. Trotz des erbitterten Widerstands der von dort vertriebenen Archivare war dieses Projekt vom früheren Präsidenten beschlossen worden.

Die Historiker sprachen gar von einer „ideologischen Instrumentalisierung“. Sie fanden die Methode einer zeitlich linearen Abfolge historischer Epochen, die das Museum bieten sollte, höchst fragwürdig: In einer Galerie der Epochen sollte der Besucher vom Ausgangspunkt „Unsere Vorfahren, die Gallier“, durch das Mittelalter mit den christlichen Wurzeln der Zivilisation und durch Jahrhunderte mit glorreichen Monarchen zum Wendepunkt der Revolution und von da schnurstracks ins Industriezeitalter sowie schließlich, nach eine Denkpause über Frankreichs Kollaboration bei der Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg, erleichtert und stolz über die nationale Vergangenheit in die Gegenwart gelangen.

Ideologisch vereinfacht

Auf den Einwand der Historiker, das sei ideologisch zumindest ein wenig vereinfacht, wollte Sarkozy nicht hören. Vor allem wollte er wie seine Vorgänger seine Spuren als pharaonischer Bauherr hinterlassen und sich in Paris ein Denkmal setzen: wie Georges Pompidou mit den (heute nach ihm benannten) Centre Beaubourg, François Mitterrand mit der Pyramide des Louvre oder Jacques Chirac mit dem Musée du quai Branly für Urvölkerkunst. Bereits 2015 sollte dieses „Haus der Geschichte Frankreichs“ seine Tore öffnen, 7 Millionen Euro wurden bereits dafür ausgegeben, mindestens 200 weitere Millionen hätte es noch gekostet … wenn es nicht jetzt in allerletzter Minute gestoppt worden wäre.

Zu den anderen Projekten, die Filippetti als nicht vordringlich aufs Eis legt, gehört das von ihrem Vorgänger, Frédéric Mitterrand, angekündigte Fotografiemuseum in der Hauptstadt und der Bau eines weiteren Theatersaals für die Comédie Française. Auch die Verlegung der (immensen) Kunstwerkreserven der Pariser Museen in ein neues Lagerareal im Vorort Cergy-Pontoise, für das sich außer der Louvre-Direktion niemand so recht begeistern konnte.

Auf Protest stieß hingegen die Ankündigung, dass die staatlichen Subventionen von 50 Millionen für ein Museum gestrichen würden, in dem ab 2015 Kopien der (zum Schutz vor Beeinträchtigung nicht mehr zugänglichen) prähistorischen Höhlenmalereien von Lascaux gezeigt werden. Die Behörden der betroffenen Region Aquitaine möchten, dass Präsident François Hollande die Einsparung noch mal zur Diskussion stellt.

Mutige Fillippetti

Unerwarteten Beifall bekam Filippetti dagegen von Jacques Chiracs ehemaligem Kulturminister Jean-Jacques Aillagon. Er gratulierte der Nachfolgerin zum Mut, mit der sie „schlecht durchdachte und nicht finanzierte Projekte, die dem Ministerium zur Last gefallen wären“, rechtzeitig stoppe. Wie sehr jede Ausgabe nun überprüft wird, zeigt die Diskussionen über die „Monumenta“-Ausstellung von 2013 im Pariser Grand Palais. Obwohl dort monumentale Werke von Kiefer, Boltanski, Anish Kapoor und Buren in den letzten Jahren viel Publikum anzogen, sind private Sponsoren gefragt. Filipetti hat den für 2013 eingeladenen Künstler Ilja Kabakow zu einer diskreten Unterredung eingeladen, bei der es auch ums leidige Geld gegangen sei.

Die Kultur bleibt trotz aller Restriktionen für Frankreich kein Nebenposten. Jedes Jahr investiert der Staat fast eine Milliarde Euro in die Erhaltung seiner Kulturdenkmäler und finanziert mit rund 4 Milliarden Euro die öffentlichen Fernseh- und Rundfunksender.

Daran wird nicht gerüttelt, ebenso wenig wie an der arg defizitären Arbeitslosenkasse für Künstler, Schauspieler und Techniker, die zwischen zwei Verträgen relativ großzügig unterstützt werden, wenn sie ein Minimum von Arbeitsstunden pro Jahr aufweisen können. Dies garantiert, dass das unentbehrliche Know-how dieser Kulturschaffenden im Schatten der Stars erhalten bleibt. Das ist Frankreich sich und seiner kulturellen Ausstrahlung denn doch schuldig.

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