Kunstzensur in Polen: Mit Bananen auf die Barrikaden

Der Direktor des Warschauer Nationalmuseums zieht den Stecker einer feministischen Video-Installation. Damit löst er ein „Banana-Gate“ aus.

Zwei Personen haben Bananenschalen auf dem Kopf und beißen von zwei Seiten in eine geschälte Banane.

Bananen-Protest am Montag in Warschau Foto: reuters

WARSCHAU taz | So viel Spott und Häme musste noch kein Direktor des Warschauer Nationalmuseums über sich ergehen lassen: Eine schlichte Banane wurde Jerzy Miziolek zum Verhängnis.

Kaum hatte Polens Kulturminister Piotr Glinski den Museumsdirektor einbestellt, um ihn nach einem vermeintlich obszönen Bananenvideo zu befragen, sauste dieser auch schon zurück in die Galerie der Modernen Kunst, zog den Stecker der umstrittenen Installation und entfernte auch andere Kunstwerke, die allzu viel nackte Haut zeigten – dienstbeflissen und ganz im Sinne der Gender-Ideologie der katholischen Kirche Polens und der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Doch statt Lob für die Säuberung des Nationalmuseums, schallte Miziolek ein empörter Protestschrei aus dem ganzen Land entgegen: „Zensur!“

Denn die Kunstwerke, die Miziolek aus der Galerie entfernen ließ, gehören seit Jahrzehnten zum Kanon feministischer Kunst weltweit. In der Videoinstallation mit dem bewusst doppeldeutigen Titel „Kunstkonsum“ ist die Künstlerin Natalia Lach-Lachowicz beim erotisch-genüsslichen Verzehr einer Banane zu sehen.

Ob sie dabei nackt ist, ist der Phantasie der BetrachterInnen überlassen. Zu sehen sind nur ihre Schultern. Kinder, die den Zusammenhang noch nicht verstehen, lachen normalerweise über die „ulkige Tante“ mit der Banane. Sie finden die Installation witzig.

Mutter spricht von traumatischer Erfahrung

Angesprochen auf seine Kunstzensur zog Miziolek den Brief einer Mutter aus der Jackentasche, deren zehnjähriger Sohn angeblich einen „traumatischen Schock“ beim Klassenausflug ins Nationalmuseum erlitten habe. „Nie wieder“ werde der Kleine ins Nationalmuseum gehen, habe er seiner Mutter unter Tränen versichert.

Der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza erklärte Miziolek: „Das hier ist das Nationalmuseum, und eine bestimmte Thematik aus dem Gender-Bereich sollte hier nicht gezeigt werden“.

Seiner Säuberungsaktion fiel auch gleich noch ein zweites feministisches Werk zum Opfer, die Dokumentation der Performance „Lou Salome“ von Katarzyna Kozyra aus dem Jahr 2005. Kozyra führt als Schriftstellerin und Femme fatale Lou Salome im Garten des Wiener Schwarzenberg-Palais zwei Schauspieler in Hundekostümen aus, deren Masken wiederum an die Gesichter des Philosophen Friedrich Nietzsches und des Dichters Rainer Maria Rilke erinnern.

Bilder in einer Gallerie zeigen eine Frau, die eine Banane isst.

Umstritten: ein Teil des vorübergehend entfernten Kunstwerks „Kunstkonsum“ Foto: reuters

Eine dritte Video-Dokumentation, die dem kruden Gender-Verständnis des Museumsdirektors zum Opfer fiel, war die experimentelle Fernseh-Performance der Gruppe Haupt-Richter aus dem Jahr 2005: Die ZuschauerInnen konnten beim Sender anrufen und Wünsche äußern oder Anweisungen geben, was das Künstlerpaar live zu tun hatte.

Die meist männlichen Anrufer forderten „Ausziehen! Ausziehen!“, was die beiden Künstlerinnen dann auch taten. Die Falle schnappte zu. Die Performance, die die Instrumentalisierung von Frauenkörpern in Kunst und Medien – hier durch ganz normale Männer – aufzeigt, gehört zu den Klassikern der polnischen Kunst Anfang des 21. Jahrhunderts.

Banane als Protestsymbol

Nach dem Massenprotest gegen die Kunstzensur – überall verspeisten Polen und Polinnen genüsslich Bananen, auf spontanen Demos in Warschau, Lublin und anderen Städten, auf Internetplattformen wie Facebook mit Bananen-Selfies oder auch auf Twitter mit oft sarkastischen Kommentaren – gab der Museumsdirektor klein bei.

Die zensierten Installationen kehren zurück in die Galerie für Moderne Kunst, doch nur bis zum „großen Re-Arrangement der Kunstwerke“, zu dem es schon im Juni kommen soll. Es könnten nicht jahrelang dieselben Kunstwerke gezeigt werden, so Miziolek. Vielmehr müsse es häufiger einen Wechsel geben, da das Museum über fast eine Million Kunstwerke verfüge, aber aufgrund der begrenzten Ausstellungsfläche nur 0,5 Prozent zeigen könne.

Für die Demonstranten ist das kein guter Ausgang. Sie gehen davon aus, dass sich die Kunstzensur gemäß der Gender-Ideologie von Kirche und PiS schon bald wiederholen wird.

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