Kurden in der Türkei: Streit über Guerillero-Denkmal

Kaum errichtet, wird die Statue eines Mitgründers der kurdischen PKK wieder abgerissen. Sie war ein Ärgernis für Erdogan, aber auch für Öcalan.

Sicherheitskräfte in Diyarbakir, Südtürkei. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Nach einer längeren friedlichen Phase in den kurdischen Gebieten der Türkei ist es gestern wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, bei denen ein 22-jähriger Kurde von Sicherheitskräften erschossen wurde. Anlass ist der Streit über den Abriss einer großen Bronzestatue, die einen der Gründer der PKK, Mahsum Korkmaz, in Guerillakluft und mit einer Kalaschnikow in der Hand zeigt. Die Statue war am 16. August in Lice, einem Ort nördlich der Kurdenmetropole Diyarbakir, feierlich enthüllt worden und hatte sofort zu einem Aufschrei unter türkischen Nationalisten geführt.

Die Bilder, die gestern über die TV-Schirme in die türkischen Wohnzimmer flimmerten, erinnern an die Zeit von vor zehn Jahren. Gepanzerte Mannschaftswagen des Militärs stürmen Lice, einigen sind unterwegs die Reifen zerschossen worden. Um die Militärlaster herum toben protestierende kurdische Jugendliche. Die Stimmung, so berichten Korrespondenten vor Ort, sei extrem gespannt, nachdem ein Demonstrant erschossen wurde.

Die Statue des 1986 im Kampf gegen die Armee gefallenen kurdischen Guerillaführers war am Samstag in einer feierlichen Zeremonie, an der auch Vertreter der kurdischen BDP teilgenommen hatten, enthüllt worden. Unmittelbar danach ordnete der von der Zentralregierung in Ankara eingesetzte Gouverneur von Diyarbakir den Abriss der Statue an. Am Montag bestätigte ein Gericht in Diyarbakir die Anordnung des Gouverneurs, der zusätzlich ein Ermittlungsverfahren gegen die Erbauer des Denkmals einleitete. Am frühen Dienstagmorgen holten Militäreinheiten Mahsum Korkmaz wieder vom Sockel. Die auf einem mindestens drei Meter hohen Sockel in Lebensgröße errichtete Statue von Korkmaz war für die türkische Rechte, aber auch einen großen Teil der Öffentlichkeit eine Provokation.

Korkmaz gilt als der militärische Führer der Guerillaeinheiten der PKK, die 1984 mit konzertierten Angriffen auf mehrere Gendarm- und Polizeistationen in der Türkei den bewaffneten Kampf für einen eigenen kurdischen Staat eröffneten. Nach Abdullah Öcalan ist Korkmaz der bekannteste Gründer der PKK. Lice, wo seine Statue nun errichtet worden war, gilt als Geburtsort der PKK.

Ein Ärgernis für Erdogan

Obwohl sich der amtierende Premier und designierte Präsident Recep Tayyip Erdogan zu dem Vorfall bislang nicht öffentlich geäußert hat, ist er für die AKP-Regierung ein großes Ärgernis. Der stellvertretende Vorsitzende der nationalistischen MHP, Oktay Vuray, nutzte die Gelegenheit, um Erdogan massiv anzugreifen. Dank der Politik der Regierung, sagte er auf einer Veranstaltung in Alanya, würden überall im Land nach und nach die Statuen des Republikgründers Atatürk entfernt. Stattdessen könnten nun die Terroristen Statuen ihrer Helden aufbauen.

Oktay Vuray bezog sich mit seiner Kritik auf den sogenannten Friedensprozess, den die Regierung Anfang 2013 mit der PKK und ihrem historischen Führer Abdullah Öcalan eingeleitet hat. Der Bau der Statue von Mahsum Korkmaz ist nach Meinung der Nationalisten nur ein weiteres Zeichen dafür, dass der Friedensprozess die Abspaltung der kurdischen Gebiete befördert.

Außer Erdogan dürfte sich deshalb auch der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan über die Aktion seiner GenossInnen in Lice eher geärgert als gefreut haben. Denn wie Erdogan sieht er darin eine Störung des Friedensprozesses, den Öcalan nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl Erdogans eigentlich auf gutem Weg sieht. Einer Delegation der kurdischen HDP, die ihn nach der Wahl auf der Gefängnisinsel Imrali besuchte, drückte Öcalan eine Erklärung in die Hand, in der er festhielt, dass das endgültige Ende des 30-jährigen bewaffneten Kampfes in der Türkei unmittelbar bevorstehe. Das gute Abschneiden des kurdischen Kandidaten Selahattin Demirtas in den Präsidentenwahlen vor einer Woche sei das Signal, dass die Kurden dabei seien, mit politischen Mitteln zur wichtigsten Opposition des Landes zu werden.

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