Labbadia ist neuer HSV-Trainer: Willkommen in der Realität

Bruno Labbadia soll den Abstieg des HSV verhindern, erhielt aber auch einen Zweitligavertrag. Eine Weitsicht, die der Sportverein zuletzt vermissen ließ.

Bruno Labbadia grübelt. Über seine Zweitligazukunft? Bild: dpa

BERLIN taz | Dass sich das Trainerkarussell beim Hamburger SV schneller dreht als jedes Fahrgeschäft auf dem Hamburger Dom, ist keine Neuheit. Dass nun Bruno Labbadia quasi in letzter Sekunde herangezogen wird, um die Erstliga-Uhr im Volksparkstadion (noch Imtech Arena) am Laufen zu halten, überrascht die wenigsten. Denn, lieber HSV, mittlerweile trauen wir dir alles zu.

Würde morgen eine Pressekonferenz stattfinden, auf der der bademanteltragende, Holsten-Bier vernichtende Dittsche als neue Trainerlösung präsentiert würde, weil keiner den Verein besser kenne als er – es wäre nur eine weitere Episode der konzeptlosen Hire-and-fire-Methoden, die sich in den letzten Jahren am Volkspark etablierten.

Das einzig Nennenswerte, was die Nachricht von der Verpflichtung Labbadias birgt, ist sein ligaunabhängiger Vertrag. Eine Armutserklärung? Ohne Frage. Aber vielleicht auch ein Hoffnungsschimmer. Denn mit der Planung für die zweite Spielklasse offenbaren die Rothosen eine Weitsicht, die sie zuletzt vermissen ließen.

Das Abstiegsszenario ist längst nicht mehr nur ein Wunschtraum vieler Sankt-Pauli-Fans, die auf ein Nord-Derby in der zweiten Liga hoffen, sollte die Elf vom Millerntor nicht selbst abstiegen. Nein, der Abstieg, er ist realistisch. Und ganz ehrlich: Ein Stück weit auch verdient.

Niemand hätte sich über die Zweitklassigkeit beschweren dürfen, so wie sich der HSV letztes Jahr durch die Relegation wurschtelte. Doch der Sportverein hielt mit zwei uninspirierten Unentschieden die Klasse und Fußballtraditionalisten atmeten auf. Der Dino gehöre schließlich in die Bundesliga.

„Neue Impulse setzen“

Was folgte war eine weitere Saison zum Vergessen. Der erste Trainerwechsel ging natürlich auf das Konto des HSV. Schon am 15. September musste Mirko Slomka seinen Hut nehmen. „Joe soll neue Impulse setzen und das Team emotionalisieren. Wir trauen es ihm absolut zu und stehen hinter ihm“, hieß es von Seiten des Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer über Josef Zinnbauer, den Nachfolger von Slomka.

Die neuen Impulse verpufften, der Sportverein entledigte sich Zinnbauers und Peter Knäbel, der Sportdirektor, mutierte zum Trainer. Erst am Sonntag sprach ihm Beiersdorfer eine Jobgarantie aus. Das bedeutet beim HSV anscheinend so viel wie wenn Angela Merkel einem Minister ihr „volles Vertrauen“ ausspricht. So tat sie es im Falle Guttenbergs und Jungs, kurz bevor diese ihr Amt niederlegten.

Also, lieber HSV, sehen wir's realistisch: Ein Abstieg wäre ein finanzielles Disaster. Doch vielleicht wäre es auch eine Gesundschrumpfung. In der zweiten Liga ließe sich der Verein neu aufbauen und das Trainerkarussell stoppen. Das ständige Anheuern von Kurzzeitbeschäftigten wird am Volkspark schlimmer praktiziert als in der Bau- oder Fleischindustrie.

Wenn der Fußball ein Spiegel der Gesellschaft ist, dann zeugt der HSV ganz deutlich von einer Wegwerfmentalität. Hin und wieder wird mal ein Trainer recyclet – wie auch Bruno Labbadia, der schon in der Saison 2009/2010 coachte. Doch von Nachhaltigkeit kann nicht die Rede sein. 19 Trainerwechsel in den letzten 15 Jahren sprechen für sich. Ist der ligaunabhängige Vertrag für den neuen Couch nun ein erster Schritt in Richtung langfristigen Denkens? Es wäre dem HSV zu wünschen.

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