Labour Partei in Großbritannien: Starmers Krise, rechte Chance
Die britische Rechte zeigt ihre Stärke, just während der Premier die Kontrolle verliert.

Wie günstig der Moment für den Großaufmarsch der radikalen Rechten in London am Samstag sein würde, konnte niemand ahnen. Großbritanniens Labour-Regierung befindet sich in der größten Krise dieser Amtszeit. Vor einer Woche inszenierte sich die rechtspopulistische Oppositionskraft Reform UK unter Nigel Farage auf einem Parteitag selbstbewusst als kommende Regierungspartei.
Während Reform UK tagte, verlor die stellvertretende Regierungs- und Labour-Chefin Angela Rayner ihre Ämter wegen eines Steuervergehens. Und vor wenigen Tagen wurde auch noch der britische Botschafter in den USA, Peter Mandelson, nach Enthüllungen über seine Nähe zum verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein entlassen.
Das hat Premierminister Keir Starmer massiv geschwächt. Angela Rayner agierte als Volkes Stimme an der Parteispitze, eine wortgewandte und widerborstige Verkörperung von Chaos in Starmers ansonsten aalglattem Machtapparat. Peter Mandelson war das letzte Relikt der Ära Blair, vor einem Vierteljahrhundert der gefürchtete Meister der Intrige bei New Labour. Dass sich Starmer innerhalb einer Woche sowohl Rayner als auch Mandelson zum Feind macht, gleicht seinem politischen Todesurteil; seine Autorität ist dahin.
Am Wochenende standen in den britischen Medien Spekulationen über Starmers Zukunft neben den Berichten über den Großaufmarsch der Rechtsextremisten. Starmers Totengräber steht für die Kommentatoren schon fest: Andy Burnham, Oberbürgermeister von Manchester und der populärste Politiker, den Labour derzeit zu bieten hat. 2015 hatte der Labour-Zentrist im Rennen gegen den Linken Jeremy Corbyn den damaligen Kampf um die Labour-Spitze verloren.
Dank einer pragmatischen Kommunalpolitik etwa im Gesundheits- und Verkehrswesen hat er inzwischen reale Erfolge vorzuweisen, anders als Keir Starmer. Burnham hat nun eine neue Labour-interne Gruppe namens „Mainstream“ gegründet. Zu Rayners Nachfolge tritt er nicht an, denn er ist kein Parlamentsabgeordneter – und er strebt nach Höherem: Sollte er bei einer Nachwahl ins Parlament einziehen, wäre er sofort der Favorit zur Ablösung Starmers.
Konkurrenzkampf um Labour-Vorsitz
Zwei Politikerinnen haben die parteiinternen Hürden für eine Kandidatur für den Labour-Vizevorsitz überwunden. Die eine ist Bildungsministerin Bridget Philipson, die als hundertprozentige Starmer-Getreue gilt. Sie machte nach ihrem Amtsantritt im Juli 2024 mit der Enthüllung Schlagzeilen, dass sie Gratis-Tickets für ihre Kinder für ein Taylor-Swift-Konzert bekommen hatte und das völlig in Ordnung fand. Die andere Kandidatin ist die bisherige Ministerin Lucy Powell, die Starmer bei seiner Kabinettsumbildung nach Rayners Sturz feuerte. Sie wird von Andy Burnham unterstützt. Die Fronten sind klar.
Der Labour-Parteitag in Liverpool Ende September droht zu einer Schlammschlacht zu werden, bevor dann am 25. Oktober das Ergebnis des Basisvotums bekanntgegeben wird. Dann kann sich der unterlegene Teil der Partei mental von Starmer verabschieden. Und Ende November darf Finanzministerin Rachel Reeves einen neuen Sparhaushalt vorstellen, der Labour verlässlich im Meinungstief halten dürfte.
Nigel Farage kann derweil seelenruhig abwarten, dass die Selbstzerfleischung der Labour-Partei ihm den Weg an die Macht ebnet. Der Chef von Reform UK ist viel beliebter als die glücklose Tory-Chefin Kemi Badenoch, und im Vergleich zum grimmigen Straßenkämpfer Tommy Robinson erscheint der grinsende Showmaster Farage geradezu staatstragend.
Vor diesem Hintergrund ist der Staatsbesuch des US-Präsidenten Donald Trump in Großbritannien ab Dienstag so ungefähr das Letzte, was Keir gerade Starmer gebrauchen kann. Der Premierminister hatte im Weißen Haus die königliche Einladung Ende Februar selbst überreicht.
Jetzt dürfte er das bereuen, denn in allen wesentlichen Streitpunkten zwischen Labour und den britischen Rechten – Migrationspolitik, Klimapolitik, Umgang mit sozialen Medien – stehen Starmer und Trump auf gegensätzlichen Seiten. Der bisher ausgleichend auftretende Botschafter Mandelson fällt jetzt aus, er sinnt auf Rache. Farage hält sich an Trump, und der rechtsextreme Rivale Tommy Robinson ist dicke mit dem von Trump geschassten Elon Musk, der am Samstag in London zum Kampf aufrief.
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