Ladenschlusszeiten: Zweierlei Maß

Der rot-grüne Bremer Senat erlaubt einem Einkaufszentrum in Bremerhaven zusätzliche Sonntagsöffnungen. Begründet wird das mit seiner touristischen Bedeutung.

Darf auch weiterhin an 20 Sonntagen im Jahr öffnen: das Mediterraneo in Bremerhaven. Bild: dpa

Bremerhavens Einkaufszentrum "Mediterraneo" darf auch künftig an 20 Sonntagen pro Jahr öffnen. Das hat der rot-grüne Bremer Senat gestern beschlossen.

Die Nachricht klingt banal. Ist sie aber nicht. Mit dieser Entscheidung hat sich die SPD im Jahr vor der Bürgerschaftswahl klar gegen die Gewerkschaft Ver.di positioniert. Obwohl erst jüngst die beiden KandidatInnen für den neu zu wählenden Landesvorsitz der SPD demonstrativ den Schulterschluss mit den Gewerkschaften übten.

Auch rechtlich ist die Entscheidung problematisch: Laut einem Rechtsgutachten, das Ver.di jüngst eingeholt hat, widerspricht die Regelung sowohl der Landesverfassung als auch dem Grundgesetz. Die Gewerkschaft will deshalb vor dem Staatsgerichtshof klagen - wenn sie Betroffene findet, die dazu bereit sind. Es würden "alle rechtlichen Möglichkeiten" ausgeschöpft, um die bis März 2012 verlängerte Sonderregelung für das Mediterraneo wieder zu kippen, kündigte Ver.di an.

Verkaufsoffene Sonn- und Feiertage sind in Deutschland nur in Ausnahmefällen zulässig. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2009 entschieden.

In einem Grundsatzurteil zu den Berliner Ladenöffnungszeiten heißt es: "Grundsätzlich hat die typische werktägliche Geschäftigkeit an Sonn- und Feiertagen zu ruhen." Ein "bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse" und ein "alltägliches Erwerbsinteresse" potenzieller KäuferInnen genügten grundsätzlich nicht, um die Ladenöffnung an diesen Tagen ausnahmsweise zu rechtfertigen, so Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier anlässlich der Urteilsverkündung.

Die Landesregierung indes sieht einem Gerichtsstreit "gelassen" entgegen, so eine Sprecherin des Arbeitsressorts. Das beruft sich auf die "zunehmende touristische Bedeutung" des Mediterraneo. Denn es liegt dort, wo auch Klimahaus, Schifffahrtsmuseum, Auswandererhaus und Zoo am Meer angesiedelt sind. Rein rechtlich steht dieses Gebiet nun auf einer Stufe mit der Böttcherstraße und dem Schnoor in Bremen - mit dem Unterschied, dass dort am Sonntag nicht alles verkauft werden darf, sondern nur Blumen, Tabak, Lebensmittel zum sofortigen Verzehr sowie alles, was für den Ort "kennzeichnend" ist. Im Mediterraneo aber soll man am Sonntag auch Schuhe und Handys kaufen dürfen.

Im nahe gelegenen "Columbus-Center" übrigens nicht. Es liegt gerade eben außerhalb der touristischen Zone Bremerhavens. Auch für Bremens "Waterfront" - Nachfolger eines gescheiterten Indoor-Freizeitparks - gilt die Sonntagsregelung nicht. Es liegt im touristisch kaum relevanten Stadtteil Gröpelingen. Auch bei der Stadtbibliothek in Bremen hat die SPD jüngst den Schutz der Arbeitnehmerrechte höher bewertet als den Wunsch von CDU und Bibliotheks-Direktorin, sonntags zu öffnen.

Wobei man im Bremer Arbeitsressort für sich in Anspruch nimmt, im Zuge der 2009 eingeführten Sonntagsregelung für das Mediterraneo die Arbeitsbedingungen verbessert zu haben. Sozial-Staatsrat Hermann Schulte-Sasse kritisierte zwar, dass kein Ladenbesitzer den doppelten Tariflohn zahle, der für Sonntagsarbeit vorgeschrieben sei. Doch 80 Prozent der MitarbeiterInnen würden dort inzwischen zumindest an Werktagen nach Tarif bezahlt, sagt die Ressortsprecherin und hofft auf "weitere Besserung". Ver.di-Sekretär Heinz-Herbert Grabowski hat daran "berechtigte Zweifel". Sein Kollege Richard Schmid sagt: "Die Bezahlung ist in den meisten Fällen beschämend."

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