Länderspiel Deutschland-Belgien: Teufel in Torlaune

Das belgische Nationalteam will endlich wieder an die glorreichen 1980er Jahre anknüpfen. Aber ist die junge Mannschaft auch gut genug, um die EM-Qualifikation zu schaffen?

"Ob die Deutschen sich vielleicht zurückhalten?": Timmy Simons schwant Böses. Bild: reuters

Der Kapitän wurde euphorisch: "Fantastisch", jubelte Vincent Kompany am Freitagabend nach dem klaren 4:1-Sieg Belgiens gegen Kasachstan. Die "Roten Teufel" vor dem letzten Spiel auf Platz zwei der Gruppe A - damit war nach ihren unsteten Auftritten in der laufenden Qualifikationsrunde nicht mehr unbedingt zu rechnen.

Die erste EM-Teilnahme seit 1984 ist nun aus eigener Kraft zu schaffen. Dass es dafür nicht weniger als ein vermeintlich unmöglicher Auswärtssieg in Deutschland (Dienstag, 18 Uhr, ZDF) braucht, wirkt eher motivierend. "Ein besseres Szenario hätte man sich nicht denken können", kommentierte Abwehrchef Kompany. Er ist dem Bundesligapublikum aus seiner Zeit beim HSV bestens bekannt. "Jetzt haben wir das Finale, das wir wollten."

Bemerkenswerte Worte, bedenkt man, dass der belgische Fußball gerade erst aus einem der tiefsten Täler seiner Geschichte kommt. Die Nuller Jahre waren eine verlorene Dekade: Während die heimische Liga samt einstiger kontinentaler Schwergewichte wie Anderlecht, Standard de Liège und Club Brügge für viele Profis zum Sprungbrett nach England oder Spanien wurde, verfehlte das Nationalteam vier Turniere in Serie und stürzte bis auf Platz 71 der Fifa-Weltrangliste ab.

"Die Spieler sind enorm leistungsbereit, eben au diese zehn Spiele zu gewinnen", sagte Joachim Löw auf der gestrigen Pressekonferenz vorm Belgien-Spiel (Dienstag, 18 Uhr, ZDF). Er will Historisches schaffen: zehn Siege in der EM-Qualifikation. Was noch besser werden muss im Vergleich zum Türkei-Spiel (3:1)? "Diese Intensität, diese absolute Konsequenz, diese ganz klare Ordnung." Mit dem Kick in Istanbul sei er nämlich "nicht vollumfänglich zufrieden" gewesen. Also: Zurücklehnen gilt nicht. Nicht dabei ist Mario Götze; der BVB-Profi ist schon am Sonntag heimgereist, er braucht eine Pause. Fraglich sind Bastian Schweinsteiger (Bluterguss überm Knie), Jerome Boateng (Muskelprobleme) und Mesut Özil (Achillessehnenbeschwerden). "Belgien hat die bessere Offensive als die Türkei, da wird einiges auf uns zukommen, zumal sie gegen die starken Mannschaften immer besser spielen als gegen die vermeintlich schlechteren", glaubt Löw. Der belgische Angriff sei "wirklich überragend". Schau mer mal. (taz)

Man hatte die Protagonisten der goldenen 1980er Jahre, als Belgien zweimal ins WM-Halbfinale vorstieß, auf die Trainerbank geholt. Doch weder René Vandereycken noch Franky Vercauteren konnten den Abwärtstrend beenden. Im Gegenteil, die Amtszeiten wurden immer kürzer, und für den Tiefpunkt sorgte 2010 der renommierte Dick Advocaat, eigentlich als Retter geholt, der sich nach einem halben Jahr selber aus seinem Vertrag kaufte, um in Russland anzuheuern.

Gute Jugendspieler

Der Umschwung kam mit Georges Leekens, Spitzname "Mackie Messer", der Belgien bereits 1998 bei der WM coachte. Er vertraut vor allem auf eine neue Generation vielversprechender Spieler, die langsam ins Nationalteam aufrücken. Denn gute Jugendspieler hat Belgien. 2007 stand die U21 im Halbfinale der EM, 2008 war die U23 bei den Olympischen Spielen in Peking. Viele Akteure, die heute in Düsseldorf auflaufen werden, standen damals im Aufgebot. Die Ältesten von ihnen sind gerade mal 25 Jahre alt - und Stützen im Korsett der Roten Teufel.

Eine beachtliche Ansammlung prominenter Namen steht da inzwischen auf dem Platz. Die Abwehr mit Kompany (Manchester City), Thomas Vermaelen (Arsenal) sowie dem Ajax-Amsterdam-Duo Jan Vertonghen und Toby Alderweireld hat Champions-League-Erfahrung. Knorrige Defensivspezialisten waren lange Zeit das auffälligste Stilmittel belgischen Fußballs.

Doch diese Zeiten sind vorbei, denn von dessen neuen Qualitäten zeugen nun auch die Mittelfeldasse Steven Defour (FC Porto), der torgefährliche Axel Witsel (Benfica) und Marouane Fellaini (Everton) sowie im Sturm Moussa Dembelé (Fulham). In ihrem Schatten rückten mit dem Edeltechniker Eden Hazard (Lille) und dem gerade zu Chelsea gewechselten Romelu Lukaku auch zwei der begehrtesten jungen Spieler Europas in die Mannschaft auf.

"Deutsche halten sich nie zurück"

Vor dem entscheidenden Spiel verfolgen belgische Medien aufmerksam die Aufstellung des DFB-Teams. Die Abwesenheit Mario Götzes wurde am Wochenende wohlwollend in Belgien kommentiert, auch über der Zustand von Özil und Klose wurde spekuliert. Auf belgischer Seite wird wegen seiner Gelbsperre Daniel van Buyten das Match gegen seine Bayern-Kollegen verpassen.

Spielen sollen Igor de Camargo (Mönchengladbach) und das Urgestein Timmy Simons (Nürnberg). Der 34-jährige Senior hatte letzte Woche noch fest mit deutscher Schützenhilfe im Türkeispiel gerechnet. "Ob die Deutschen sich vielleicht zurückhalten? Vergiss es! Deutsche halten sich nie zurück." Gerade das könnte die belgischen EM-Träume nun aber gefährden.

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