Landespolizeigesetz: Henkel duckt sich weg

CDU und SPD wollen Vorbeugehaft verlängern. Bei der entscheidenden Sitzung im Ausschuss glänzt der Innensenator durch Abwesenheit.

Frank Henkel macht lieber Werbung für Olympia als sich Fragen der Opposition zu stellen. Bild: DPA

Große Aufregung im Innenausschuss. Wo ist CDU Innensenator Frank Henkel? Die von der rot-schwarzen Koalition geplante Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) steht zur Beschlussfassung. Der größte Klopper in den Augen der Opposition: Der Unterbindungsgewahrsam – auch Vorbeugehaft genannt – soll verlängert werden. Die CDU fordert das schon ewig – bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD 2011 hat sich Henkel durchgesetzt. Grüne, Linke und Piraten sprechen von einem massiven Eingriff in die Grundrechte. Am Montag wollen sie Henkel zur Rede stellen. Viermal haben sie es im Parlament schon versucht. Aber der oberste Dienstherr der Polizei glänzte durch Abwesenheit.

Bis dato dürfen Personen nach Paragraf 30 Asog von der Polizei maximal zwei Tage in Gewahrsam genommen werden. Künftig werden es vier Tage sein. Warum? Die Neuregelung sei unerlässlich, um die Begehung von Straftaten zu verhindern, schreiben SPD und CDU in ihrer Vorlage für die Änderung des Asog. Als Beispiel werden länger andauernde Großlagen, Versammlungen und Veranstaltungen wie der 1. Mai, Staatsbesuche, Kirchentage, Fußballspiele und Zusammenkünfte „von äußerst gewaltbereiten Gruppierungen“ wie etwa im Rockermilieu genannt.

Als das Thema 2011 in den Koalitionsverhandlungen auf der Agenda stand, hatte sogar die damals amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers ausdrücklich erklärt: „Ich sehe keine Notwendigkeit für eine Ausweitung.“ So sehen das auch die linken Oppositionsparteien. In einer schriftlichen Anfrage hatte sich der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, vor einem Jahr bei Henkel erkundigt, bei welchen Gelegenheiten wie viele Personen warum in Unterbindungsgewahrsam gekommen sind. Die spärliche Antwort: 2012 wurden 2.212 Menschen in Gewahrsam genommen. 2013 waren es 1.554. Auch für hilflose Personen oder minderjährige Treber gelte das Gesetz, erfuhr Lux zu seiner Verwunderung. Offenbar macht dieser Personenkreis das Gros des in Unterbindungsgewahrsam genommenen Personenkreises aus. Aber Details wurden nicht mitgeteilt. Es erfolge keine systematische Erfassung, erklärte Henkel in seiner schriftlichen Antwort. Eine Evaluation der bestehenden Regelung lehnte er ab.

Am Montag im Innenausschuss heißt es zunächst, Henkel werde später zu der Sitzung kommen. Er habe einen wichtigen Termin mit Sportfunktionären. Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) übernehme so lange die Vertretung, der Senat spreche schließlich mit einer Stimme.

Nicht nur Lux, auch Christopher Lauer (Piraten) und Hakan Taç (Linke) reagieren angefressen. Zweimal beantragen sie, mit der Aussprache über die Gesetzesänderung auf Henkel zu warten. SPD und CDU lehnen ab. Also findet die Debatte ohne den Innensenator statt.

Ein großer Verlust ist das nicht. Im Unterschied zu Henkel ist Krömer der freien Rede mächtig, auch wenn es um etwas kompliziertere Dinge geht. Henkel dagegen liest üblicherweise fast alles vom Blatt oder Tablet ab. Er wirkt dabei oft, als verstehe er selbst nicht, was ihm seine Verwaltung da aufgeschrieben hat.

Einleuchtende Gründe für die Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams kann aber auch Krömer nicht liefern. Selbst der innenpolitische Sprecher der SPD, Frank Zimmermann, spricht von einem „weiteren Eingriff“ in Bürgerrechte. Und trotzdem heben alle SPD-Abgeordneten am Ende der Sitzung bei der Abstimmung über die Gesetzesvorlage zusammen mit den CDUlern die Finger. Ende März findet im Parlament die zweite Lesung statt.

Der Innensenator indes taucht gar nicht mehr auf. „Wo isser denn nun?“, ruft Lux entnervt. Staatssekretär Krömer feixt: „Ich bin mir sicher, der Senator ist bei bester Gesundheit bei einem Termin. Er hat keine Verpflichtung, sich zu erklären.“ In der Presse ist am Montag zu lesen, Henkel bereite sich auf einen der wichtigsten Auftritte seiner Laufbahn vor. Nächste Woche müsse er dem Deutschen Olympischen Sportbund Berlins Bewerbung für die Spiele präsentieren. Für „den lockeren professionellen Auftritt“ lasse er sich coachen.

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