Landkreis verbietet Übernachtungen: Streit um Protest-Camp

Rüstungsgegner*innen planen ein Protestcamp in der Heide gegen den Rheinmetall-Defence-Konzern. Übernachten dürfen sie dort nicht.

Demonstranten sitzen mit Plakaten auf einer Straße.

So sah der Protest im Jahr 2017 aus: Rüstungsgegner*innen blockieren eine Zufahrt des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Unterlüß (Niedersachsen) Foto: dpa

GÖTTINGEN taz | Die Aktionswoche „Rheinmetall entwaffnen. Krieg beginnt hier“ sorgt schon vor Beginn für juristischen Streit: Ein Camp, das im Heide-Ort Unterlüß (Kreis Celle) als Ruhe- und Veranstaltungsraum für Aktionen und Debatten dienen soll, darf zwar anlässlich des Antikriegs-Tags 1. September vom 29. August bis 4. September stattfinden.

Zur Auflage haben die Behörden jedoch gemacht, dass die Kriegs- und Rüstungsgegner*innnen dort nicht übernachten. Einen Eilantrag gegen den entsprechenden Bescheid des Landkreises Celle hat das Verwaltungsgericht Lüneburg zurückgewiesen. (Anmerkung der Redaktion: das Verbot wurde mittlerweile vom Verwaltungsgericht Lüneburg gekippt)

Zunächst hatten die Organisator*innen des Camps bei der Gemeinde Südheide – zu der Unterlüß gehört – die Nutzung des Dorfplatzes auch für Schlafzelte beantragt. Das wurde formal abgelehnt, da kein Vertrag geschlossen wurde.

Nach Ansicht des Landkreises Celle als zuständiger Versammlungsbehörde stellen vom Camp getrennte Schlafmöglichkeiten „letztlich keine Störung der Versammlung oder gar eine Unmöglichkeit der Durchführung der Versammlung“ dar. Schlafzelte, heißt es in dem Bescheid des Kreises, seien „nicht wesens­immanent zur demokratischen Meinungsbildung und somit auch nicht versammlungsspezifisch“. Übernachtungsmöglichkeiten gebe es im Übrigen in umliegenden Pensionen, Gasthöfen, Ferienwohnungen sowie auf einem Campingplatz.

Vom 29. August bis 4. September plant ein Bündnis unter dem Motto „Rheinmetall entwaffnen. Krieg beginnt hier“ zahlreiche Aktionen. Höhepunkt soll eine Demo am 3. September sein.

Schon in den vergangenen Jahren gab es Proteste gegen Rheinmetall: Im Mai 2017 blockierten 60 Aktivisten des Jugendnetzwerks für politische Aktionen (Junepa) zwei Fabriken des Konzerns in Unterlüß.

Im Mai dieses Jahres versperrte die Gruppe „Sigmar“ (Solidarische Interventionen gegen menschenrechtswidrige Angriffskriege und Rüstungsexport) eine Rheinmetall-Zufahrt in Unterlüß.

Im Februar 2018 rief Kriegsgegner Hermann Theisen mit Flugblättern die Rheinmetall-Mitarbeiter zum Whistleblowing auf: „Informieren Sie die Öffentlichkeit über die Hintergründe der in Teilen illegalen Exportpraxis Ihres Arbeitgebers.“ Zudem schickte er Briefe an die Gemeinde Südheide, sie solle auf ihrem Gebiet keine Rüstungsproduktion zulassen.

Die Verfügung sei „ein Angriff auf unser Grundrecht zu demonstrieren“, sagt dagegen Matthias Gerhard vom Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“. Es sei „unmöglich eine Woche lang zu demonstrieren, ohne sich auszuruhen.“ Die Behörden handelten politisch und hofften, „dass durch die Einschränkungen die Leute wegbleiben“. Gleichzeitig stellten die Gemeinde und der Landkreis dem Waffenhersteller Rheinmetall seit mehr als 100 Jahren Infrastruktur zu Verfügung. Das von dem Unternehmen produzierte Kriegsgerät werde auf den Unterlüßer Straßen transportiert.

Die Proteste seien lange geplant, viele Organisationen und Personen unterstützten Camp und Aktionen, so Gerhard. „Für sie alle ist klar, dass es auch am Rheinmetall-Produktionsstandort Unterlüß Proteste geben muss, solange die Waffen von Rheinmetall in aller Welt in Kriegen töten.“ Der Hinweis der Behörden, die Demonstranten könnten ebenso gut auf einem gut sechs Kilometer entfernten Campingplatz unterkommen, habe sich schon nach einer kurzen Nachfrage erledigt. Denn der Betreiber des Zeltplatzes unterhalte Geschäftsbeziehungen zur Firma Rheinmetall und wolle die Rüstungsgegner nicht aufnehmen – auch nicht als zahlende Gäste.

Das Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ verlangte am Montag ein rasches Einlenken der Behörden. Der Landkreis solle verfügen, dass die Schlafzelte wie angemeldet Teil der Versammlung seien. Sollte es tatsächlich wichtige Gründe gegen das Schlafen auf dem Dorfplatz geben, könnten andere Zeltplätze angeboten werden, etwa ein Wohnmobilstellplatz neben dem Hallenbad, die unkompliziert nutzbar seien. Trotz des abschlägigen Urteils im Eilverfahren halten die Rüstungsgegner auch an ihrer Klage beim Verwaltungsgericht fest.

Rheinmetall mit Hauptsitz in Düsseldorf ist das größte in Deutschland ansässige Rüstungsunternehmen. An fast 117 Standorten auf fast allen Kontinenten hat der Konzern insgesamt 23.726 Mitarbeiter*innen. Im Geschäftsjahr 2017 erwirtschaftete Rheinmetall einen Umsatz von knapp sechs Milliarden Euro, die Hälfte davon in der Rüstungssparte. Diese setzt sich aus der Produktion von Fahrzeugsystemen, Waffen und Munition sowie Systemen für Aufklärung und Sensorik, Radarsystemen, Gefechtsübungszentren und Vernetzungstechnik zusammen.

In Unterlüß verfügt der Konzern über ein rund 50 Quadratkilometer großes „Kompetenzzentrum“ zur Erforschung von Waffensystemen und anderen Rüstungsgütern. Nach Angaben von Friedensaktivisten ist das Schutzsystem für Panzer, das Rheinmetall in diesem Testzentrum erprobt, genau die Technik, die das türkische Militär dringend für seine in Deutschland gekauften Leopard-Panzer haben will. Rheinmetall hofft zudem auf türkische Aufträge zum Bau einer Panzerfabrik.

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