Landtagswahl Baden-Württemberg: "Irgendwann musste die Zeit kommen"

Die Partei von Ministerpräsident Stefan Mappus sucht nach Erklärungen für die historische Niederlage bei der Landtagswahl im CDU-Stammland.

Das macht keinen Spaß: Noch-Ministerpräsident Mappus nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen. Bild: dpa

STUTTGART taz | Als um Punkt 18 Uhr im Stuttgarter Landtag die erste Prognose über das Wahlergebnis aufleuchtet, brandete Jubel bei der CDU auf. Allerdings nur beim Ergebnis der Linkspartei, die deutlich unter 5 Prozent blieb. Man hatte im Wahlkampf ja unermüdlich vor der roten Gefahr fürs Ländle gewarnt.

Und sonst? Woran lag es denn nun? Auf "historische Niederlage" hatte man sich schnell geeinigt. "Rot-Grün kommt im Schlafwagenzug aus Fukushima", analysierte der Landtagsabgeordnete Helmut Rüeck. Vor einem Monat hätte man die Wahl doch locker gewonnen, sekundierte Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Union im Bundestag. "Der Erfolg ist hier in der Sache abgewählt worden", sagte Pfeiffer und zählte die wirtschaftlichen Erfolge des Landes auf. Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender der Jungen Union, sprach von der "Arroganz der Macht", die man der CDU oft vorhält. "Wir müssen darüber reden, ob das berechtigt war."

Die politische Karriere des 44-jährigen Ministerpräsidenten Stefan Mappus, der im Februar 2010 als Nachfolger des nach Brüssel verabschiedeten Günther Oettinger während der Legislaturperiode inthronisiert wurde, ist wahrscheinlich vorbei. Mappus ist der vorerst letzte in einer Dynastie aus CDU-Ministerpräsidenten. Seit 1953 stellen sie in Baden-Württemberg die Regierungschefs, nur 1960 und 1992 wählten sie weniger als 40 Prozent. Doch die CDU hat hier mit dem gleichen Phänomen zu kämpfen wie in vielen anderen Bundesländern: Gerade unter jungen Wählern, unter Akademikern und in den Großstädten bröckelte ihre Macht seit langem. Die Grünen haben sich langfristig als Alternative aufgebaut, ihr Landesverband gilt als bodenständig, man stellt Bürgermeister in Tübingen, Freiburg und Konstanz.

Mappus ist auch daran gescheitert, dass er den Kampf um genau diese Wähler der zunehmend ökologisch denkenden Mitte gar nicht erst aufgenommen hat. Den "Fehdehandschuh" warf er den Demonstranten gegen Stuttgart 21 hin, wiederholte das Mantra von der grünen Dagegenpartei, die nicht wisse, woher der Strom kommen soll.

Vorläufiges amtliches Endergebnis (21.21 Uhr)

CDU 39,0 % (60 Sitze) / 2006: 44,2 %

SPD 23,1 % (35) / 2006: 25,2 %

GRÜNE 24,2 % (36) / 2006: 11,7 %

FDP 5,3 % (7) / 2006: 10,7 %

LINKE 2,8 % (-)

PIRATENPARTEI: 2,1 %

So schwer wie er habe es noch kein Kandidat gehabt, pflegte Mappus im Wahlkampf zu sagen. Man könnte auch sagen: Wer die Ziele seiner Politik mit den Worten Stuttgart 21, Atomkraft und EnBW in Stein meißelt, der kann keine Korrekturen vornehmen, wenn sie die Welt anders bewegt als vorausberechnet. Sein klares Atomprofil fanden auch in der Partei schon viele vor Japan als Fehler. Dazu kam noch der Kauf des Atomkonzerns EnBW durch das Land, ein Deal, den Mappus im Alleingang und ohne Parlament durchsetzte.

Auch in der Diskussion um das Bahnprojekt Stuttgart 21 positionierte sich Mappus als Hardliner. Das mag bei den Stammwählern auf dem Land gut ankommen. Nicht aber bei denen, die sich fragen, warum der schwäbische Mittelstand abwandern sollte, nur weil man allenfalls ein paar Minuten schneller als vorher mit dem ICE nach München kommt. Sie sind es, die an diesem Abend seiner Niederlage zu Tausenden in der Stadt jubeln, als hätten sie einen Despoten nach 30-jähriger Herrschaft gestürzt. CDU-Mann Bilger sah die Niederlage fast fatalistisch: "Irgendwann musste die Zeit doch kommen."

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