Landtagswahl in Baden-Württemberg: Mappschied in Stuttgart

Grün-Rot hat bei der Wahl in Baden-Württemberg mit 71 Sitzen die Mehrheit im Landtag erreicht. Winfried Kretschmann von den Grünen könnte damit Ministerpräsident werden.

Absolute Wahlsieger: Winfried Kretschmann und die Partei der Grünen. Bild: dpa

STUTTGART dpa | Historischer Wechsel nach fast sechs Jahrzehnten CDU-Herrschaft in Baden-Württemberg: Die Grünen können mit Winfried Kretschmann den ersten Ministerpräsidenten einer grün-roten Landesregierung stellen. CDU und FDP müssen die Macht im Südwesten laut vorläufigem amtlichem Endergebnis abgeben.

Das Ergebnis der Landtagswahl vom Sonntag ist ein schwerer Schlag für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP), die den Wahlkampf mit ihrer Wende in der Atompolitik, aber auch mit der deutschen Libyen-Politik zuletzt geprägt hatten. Vor allem in der FDP werden personelle Konsequenzen jetzt nicht mehr ausgeschlossen - auch wenn Westerwelle einen Rücktritt als FDP-Vorsitzender und Außenminister noch vor Schließung der Wahllokale ausschloss.

Der Landtagswahlkampf wurde besonders in Baden-Württemberg, einem Land mit mehreren Atommeilern, von der Reaktorkatastrophe in Japan überschattet. Die Diskussion in Deutschland gab den Grünen Auftrieb, CDU und FDP wurden wegen ihrer Atom-Wende scharf angegriffen. In Baden-Württemberg wurde die CDU von Ministerpräsident Stefan Mappus zwar wieder stärkste Kraft, stürzte aber auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1952. Die FDP fuhr in ihrem Stammland sogar das schwächste Ergebnis überhaupt ein.

Das Ein-Stimmen-Wahlrecht des Bundeslandes, das tendenziell die stärkste Partei - also die CDU - begünstigt, hatte bis zum Schluss für eine Zitterpartie gesorgt. Grüne und SPD lagen prozentual zusammen immer klar vor der schwarz-gelben Stuttgarter Koalition, nach Sitzen im Landtag allerdings nur knapp.

Vorläufiges amtliches Endergebnis (21.21 Uhr)

CDU 39,0 % (60 Sitze) / 2006: 44,2 %

SPD 23,1 % (35) / 2006: 25,2 %

GRÜNE 24,2 % (36) / 2006: 11,7 %

FDP 5,3 % (7) / 2006: 10,7 %

LINKE 2,8 % (-)

Piratenpartei 2,1 % (-)

Die SPD rutschte mit Spitzenkandidat Nils Schmid auf ihr schwächstes Ergebnis in Baden-Württemberg ab, erklärte sich aber dennoch zusammen mit den Grünen zum Wahlsieger. Die Linke verpasste den Sprung in den Stuttgarter Landtag, die FDP schaffte es nur knapp.

Mappus räumte die Niederlage bereits ein, als die Demoskopen noch von einer Zitterpartie sprachen. "Ich trage die Verantwortung, und zwar voll und ganz." Seine politische Zukunft ließ er offen. Er werde den Parteigremien am Montagabend einen Vorschlag für die neue personelle Ausrichtung der Partei machen.

Grünen-Spitzenkandidat Kretschmann kündigte einen Politikwechsel an: "Jetzt haben wir die historische Wende in diesem Land erreicht." SPD-Spitzenkandidat Schmid reklamierte den Wahlsieg für SPD und Grüne: "Wir haben es geschafft. Schwarz-Gelb ist abgewählt." Mit den Landtagswahlen vom Sonntag ist nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel das Schicksal der Atomenergie besiegelt. "Heute ist die endgültige Entscheidung über das Aus für die Atomenergie in Deutschland getroffen worden. Es gibt kein Zurück." Die CDU will dennoch am dreimonatigen Atom-Moratorium festhalten: "Es ist uns sehr ernst mit der Entscheidung, die eingeleitet wurde", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin.

FDP-Chef Westerwelle sah weitreichende Folgen für die künftige Energiepolitik. "Es war eine Abstimmung über die Zukunft der Atomkraft. Wir haben verstanden." Der Stuttgarter Regierungschef Mappus galt als großer Verfechter der Kernkraft, trug Mitte März jedoch die Atom-Kehrtwende von Kanzlerin Merkel mit. Der 44-jährige wäre der erste CDU-Ministerpräsident in Baden-Württemberg, der abgewählt wird.

Im Bundesrat wird das schwarz-gelbe Lager durch die Niederlage von CDU und FDP in Baden-Württemberg weiter geschwächt, SPD und Grüne sind aber trotzdem noch weit entfernt von einer eigenen Mehrheit. Zum Auftakt des Superwahljahres 2011 hatte die CDU den Stadtstaat Hamburg an die SPD verloren, nach der Wahl in Sachsen-Anhalt kann sie die Koalition mit der SPD als Juniorpartner wohl fortsetzen. Der 62-jährige Grüne Kretschmann gilt als wertkonservativ und hatte früher für ein schwarz-grünes Bündnis geworben. Doch im erbitterten Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 entfernten sich CDU und Grüne weit voneinander, ebenso im Streit über die Atomenergie.

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