Landwirtschaft für Anfänger: Städter wollen ernten

Auch ohne eigenen Garten kann man Biobauer spielen – auf vorbepflanzten Mietäckern und -gärten. Die Nachfrage danach steigt.

In Städten ist im Boden buddeln wieder angesagt. Bild: dpa

BERLIN taz | Selbst geerntet schmeckt am besten. Das weiß jeder, der schon mal in eine noch sonnenwarme Tomate direkt vom Strauch beißen durfte. Wem es aber an Platz für den Eigenanbau mangelt, kann das bald wieder auf verschiedenen Mietäckern und -gärten erleben. Sie sind so etwas wie Schrebergärten ohne Hütte, Wiese, Terrasse – und lange Wartezeiten. Mietäcker bieten zum Beispiel an bundesweit 18 Standorten die „Ackerhelden“ – ein junges Unternehmen, das Bio-Ackerstücke für die Saison von Mitte Mai bis November vermietet und auf den Trend zu regionalem Gemüse setzt. Die 40 Quadratmeter große Parzelle ist vorbepflanzt und vorbereitet, sodass die Hobbygärtner bei passendem Wetter bald die erste Ernte einfahren können.

„Das geht drei bis vier Wochen nach dem Start los“, erklärt Tobias Paulert, der das Unternehmen 2012 mit seinem Kompagnon Birger Brock gegründet hat. Über die Monate folgen etwa 30 weitere Sorten – von Zucchini über Feldsalat und Kartoffeln bis hin zu Kürbis. Vorkenntnisse brauchen die Kunden nicht: Zum Gesamtpaket gehören Beratung sowie Gartengeräte, Jungpflanzen und Saatgut. Pro Saison kostet das Ganze 248 Euro. Leben könnten sie von dem Projekt bisher nicht, sagt Paulert. Angepeilt sei, dass es in diesem oder nächstem Jahr so weit ist. Momentan suchen die Gründer nach weiteren Bio-Flächen für ihre Kunden – einzelne Äcker sind für 2015 schon ausgebucht. 2014 haben etwa 2.500 Kunden auf den Feldern gearbeitet.

Ein ähnliches Konzept hat das Unternehmen „Meine Ernte“: An 28 Standorten vermietet es vorbepflanzte Gemüsegärten – in zwei unterschiedlichen Größen. Mit ihrem Geschäftsmodell befinde sich die sechs Jahre alte Firma bisher „gerade so eben“ in der Gewinnzone, sagt Mitgründerin Natalie Kirchbaumer. Sie beobachtet eine sehr gemischte Kundschaft: Studenten-WGs, Familien, aber auch ältere Menschen. Eines haben die meisten gemeinsam: Überwiegend kommen sie aus Städten.

Tatsächlich zieht es viele Städter in Gartenprojekte. Im ländlichen Raum sei es noch selbstverständlicher, einen eigenen Garten zu haben, sagt die Münchner Trendforscherin Anja Kirig vom Zukunftsinstitut. Der Trend zum Gärtnern jedenfalls flacht noch nicht ab: „Es ist ein Phänomen, das sicher noch weiter ansteigt. Die Möglichkeiten entwickeln sich von Jahr zu Jahr weiter.“

Wöchentlich etwa zwei Stunden Arbeit

Kirig sieht mehrere Ursachen für die Sehnsucht nach dem Stück Land. „Das Gärtnern hat etwas Konträres zu unseren alltäglichen Tätigkeiten.“ Es spreche den Tastsinn an, könne kreativ und sogar meditativ sein. Für viele spiele zudem der Wunsch nach Transparenz in ihrer Ernährung eine Rolle.

Diese Beobachtung hat auch Paulert von den „Ackerhelden“ gemacht. „Die Leute melden zurück, was für ein tolles Erlebnis das ist, draußen zu sein und nach dem Bürojob in der Erde zu buddeln“, sagt er. Zwar habe bei den Ackerhelden die Mehrheit ihrer Kunden sogar einen Garten – aber es fehle das Wissen für die Selbstversorgung. Durchschnittlich ein bis zwei Stunden wöchentlich müssen die Kunden für den Acker aufwenden – im Sommer länger, gen Herbst kürzer. Wenn es nach ihm geht, soll dabei nur Öko-Boden in die Hände der Hobbygärtner kommen – die Firma ist bio-zertifiziert.

Ganz so konsequent ist „Meine Ernte“ nicht: Die Gärten müssen nach den Richtlinien der Bio-Landwirtschaft bearbeitet werden – aber sie befinden sich teils auf Flächen konventioneller Landwirte. Die Gärten sind mit 199 Euro für 45 Quadratmeter oder 369 Euro für 90 Quadratmeter pro Saison günstiger.

Gemein ist den Neugärtnern der allmähliche Erkenntnisgewinn, dass nicht jedes Gemüse zu jeder Zeit verfügbar ist – und wie abhängig Landwirte von Sonne, Wind und Regen sind. „Der Wetterbericht bedeutet dann nicht nur: Ah, kurze Hose an. Er gibt auch Hinweise auf die Gießmenge“, sagt Paulert. Ob es insgesamt ökologischer ist, wenn Städter einzeln für ihre Lebensmittel auf die Parzellen fahren, sei dahingestellt. Denn in den Gartenprojekten geht es um mehr: um Lebensmitteltransparenz, das Bewusstsein für die im Essen steckende Arbeit – und nicht zuletzt um die Freude am Gärtnern.

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