Landwirtschaft in Europa: EU-Agrar­kom­mis­sar will nur bio

Ökolandbau könne zum Green Deal der EU beitragen, sagt Janusz Wojciechowski. Doch ein Großteil der Bauern will sogar weniger Umweltschutz.

Zwei Demonstranten, die als Kühe verkleidet sind, machen vor dem Brandenburger Tor ein Selfie.

Auch sie wollen mehr Bio: Zwei als Kühe verkleidete Teilnehmer der „Wir haben es satt“-Demo in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | EU-Agrarkommissar Janusz Woj­ciechowski will, dass alle Bauern auf Ökolandbau umstellen. „Mein Traum ist, dass die gesamte europäische Landwirtschaft bio sein sollte“, sagte der Pole in einer Rede am Freitagabend auf der Grünen Woche in Berlin. Die Branchenvertreter beim Empfang des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) reagierten auf diese Aussage mit Jubel.

Die Landwirtschaft könnte zum EU-Klimaschutzprogramm Green Deal beitragen, ergänzte Wojciechowski. „Deshalb sollten wir unsere Gemeinsame Agrar­politik reformieren und unsere Landwirtschaft umwelt-, klima- und tierfreundlicher machen“. Ökolandbau sei ein „sehr wichtiger Teil dieses Beitrags“. Der Kommissar kündigte einen Aktionsplan für die Branche an, der auch den Biomarkt weiterentwickeln solle.

Das war ebenfalls ein Ziel der BäuerInnen und VerbraucherInnen, die am Samstag im Berliner Regierungsviertel an der „Wir haben es satt“-Demonstration für eine ökologische Agrarwende teilnahmen. Die Veranstalter sprachen von 27.000, die Polizei zählte 20.000 bis 25.000 DemonstrantInnen. „In der Agrarlandschaft blicken wir auf eine Politik des kompletten Versagens zurück“, sagte der Präsident des Naturschutzbunds, Jörg-Andreas Krüger, vor dem Brandenburger Tor. „Wir haben Biodiversitätsverluste, wir verlieren Insekten, wir verlieren die Vögel, wir verlieren die Höfe, und wir verlieren die Chance auf eine saubere Zukunft.“

Bauern beim Umbau der Landwirtschaft unterstützen – das war die zentrale Forderung der DemonstrantInnen. Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace, richtete sich direkt an die Bundeslandwirtschaftsministerin von der CDU: „Wo hat Frau Klöckner bitte Ihren Job gemacht?“, fragte er. „Sie läuft auf der Grünen Woche herum mit ihrer Kampagne und sagt: Du entscheidest. Und will damit die Schuld den Verbrauchern in die Schuhe schieben. Frau Ministerin, wir haben es satt.“

Rechtsextreme Banner bei Demo in Bayern

170 TreckerfahrerInnen aus ganz Deutschland führten die Demonstration an, die bereits zum zehnten Mal in Berlin stattfand. Die Emissionen, die durch die Anreise der Traktoren entstehen, würden kompensiert, versicherten die OrganisatorInnen. Viele DemonstrantInnen waren verkleidet gekommen, als Kühe, Bienen und Imker. „Lasst die Sau raus!“, forderten sie auf ihren Schildern, und „Insekten schützen, Pestizide stoppen“.

Bauernprotestführer Andresen warnt vor Radikalisierung, falls seine Bewegung erfolglos bleibt

Die „Satt“-Demo versuchte sich von einer Treckerdemo in Nürnberg abzugrenzen, die am Freitag durch einzelne Banner mit rechtsextremen Symbolen Aufsehen erregt hatte. Die Veranstalter von der Initiative „Land schafft Verbindung“ distanzierten sich von dem Vorfall. Man habe die Leute aufgefordert, die Banner abzunehmen.

Agrarministerin Klöckner verurteilte die Vorkommnisse als Entgleisung. Die Polizei Nürnberg teilte mit: „Da gibt es keine Ermittlungen, weil nichts strafrechtlich Relevantes festgestellt wurde.“

„Land schafft Verbindung“ hatte deutschlandweit zu Demonstrationen aufgerufen. Bei der Berliner Versammlung waren etwa 400 Traktoren dabei. Der Protest richtete sich vor allem gegen Umweltvorschriften wie geplante strengere Düngevorschriften.

Kritik an „der selbsternannten Meinungselite“

Der bekannteste Sprecher der Bewegung, Dirk Andresen, zog aus ihren bisherigen Demos das Fazit, dass ein Großteil „der politischen Vertreter und der selbsternannten Meinungselite“ „überhaupt nicht begriffen haben, wie verraten und verlassen sich große Teile der Bevölkerung mittlerweile fühlen, die sich vor fünf Jahren noch in der Mitte der Gesellschaft zu Hause sahen“.

Andresen kritisierte besonders einen taz-Artikel über ihn vom Freitag. Darin hieß es, der Bauernführer sei an einer überdurchschnittlich großen Sauenhaltung beteiligt, die kleinere Betriebe unter Druck setze. Ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft wies in dem Text darauf hin, dass mit der Betriebsgröße „eine bestimmte Interessenlage verbunden“ sei. Wenn mehr Bauern wüssten, wie groß An­dresens Betrieb sei, würden sich viele nicht von ihm vertreten lassen, so die ökologisch orien­tierte Organisation.

Andresen bemängelte auch, dass die Deutsche Umwelthilfe Bauernverbands-Chef Joachim Rukwied als „Gülle-König“ bezeichnete. „Wenn man die Botschaft der Bauern nicht kleinkriegt, versucht man, die Boten zu diffamieren. Das ist ein Niveau, das wir eher aus Unrechtsstaaten kennen“, so An­dresen.

Im Tagesspiegel am Sonntag warnte er die Politik, durch Untätigkeit in der Landwirtschaftspolitik rechtsradikale Kräfte zu stärken. „Auch ein Teil der Bauern wird sich dann radikalisieren“, sagte er. (mit dpa)

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