Langzeitherrscher in Afrika: Die Zukunft lässt auf sich warten
Wiederwahl ohne ernste Opposition – das versuchen viele Staatschefs in Afrika. Kamerun zeigt: Es kann auch schiefgehen.
 
Ein ganzes Land hält kollektiv den Atem an. Die 30 Millionen Einwohner Kameruns haben am 12. Oktober einen neuen Präsidenten gewählt und es gibt zwei Wahlergebnisse. Nach den offiziellen Zahlen hat Präsident Paul Biya mit knapp 54 Prozent gesiegt – nach den Zahlen der Opposition der wichtigste Gegenkandidat Issa Tchiroma mit knapp 55 Prozent.
Das Verfassungsgericht hat am vergangenen Mittwoch alle Einsprüche gegen die offiziellen Zahlen abgewiesen, womit Biyas Wiederwahl amtlich ist. Aber die Verkündung des amtlichen Endergebnisses wurde überraschend auf Montag, den 27. Oktober verschoben – wohl um eine Explosion des Protests am Wochenende zu vermeiden.
Eigentlich hatte sich Kameruns 92-jähriger Präsident das alles ganz anders vorgestellt. Paul Biya, seit 1982 an der Macht, ist einer der letzten autoritären Langzeitherrscher Afrikas. Das gesamte politische System Kameruns ist auf ihn zugeschnitten und er sieht sich als Stabilitätsanker in einer unruhigen Weltregion. Die Wiederwahl 2025 galt als Formsache, der wichtigste Gegenkandidat Maurice Kamto wurde von der Wahl ausgeschlossen.
Das entspricht dem aktuellen Trend in Afrika: Wahlen, bei denen vorher alle aussortiert werden, die eine Wiederwahl des Machthabers gefährden könnten. An diesem Wochenende wählt die Elfenbeinküste, die zwei wichtigsten Rivalen von Präsident Alassane Ouattara stehen nicht auf den Stimmzetteln.
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Im Gefängnis
Am 29. Oktober folgt Tansania, der Führer der Opposition gegen Präsidentin Samia Suluhu Hassan sitzt im Gefängnis. Im kommenden Jahr 2026 wollen zahlreiche Machthaber in Afrika das ähnlich machen: Yoweri Museveni in Uganda, Patrice Talon in Benin, Ismail Omar Guelleh in Dschibuti, Denis Sassou-Nguesso in der Republik Kongo.
Wo freier politischer Wettbewerb zugelassen wird, geht die Tendenz in Richtung Abwahl – Malawi und Senegal haben das in den vergangenen zwei Jahren gezeigt – oder zumindest in Richtung schwerer Krise der Regierenden, wie in Mosambik und Südafrika. Überall sind die Gründe dieselben: Die junge Generation akzeptiert keine unfähigen Altpolitiker mehr und nutzt jede Chance, um das auszudrücken. Also wollen die Autokraten ihr diese Chance nehmen.
Afrikas Jugend ist aber nicht blöd, und wenn bekannte Gesichter nicht antreten dürfen, wählt sie unbekannte. In Kamerun ist es nun Issa Tchiroma, bis vor vier Monaten Minister in Biyas Regierung. Als der 78-jährige langjährige Regierungssprecher und Arbeitsminister im Juni sein Amt niederlegte und seine Kandidatur verkündete, galt das aus Sicht des Regimes nicht als gefährlich, höchstens als ärgerlich und respektlos. Aber nun ist Tchiroma für Menschen aus allen politischen Lagern wählbar geworden. Als Kandidat eines friedlichen Übergangs hin zu einer erst noch aufzubauenden echten Demokratie.
Das autoritär aufzuhalten, klappt nicht immer. Im Nachbarland Gabun wurde bei den Wahlen 2023 Ali Bongo, der regierende Sprössling der seit den 1960er Jahren dort herrschenden Präsidentenfamilie, überraschend von einem wenig bekannten Gegner in so große Bedrängnis gebracht, dass noch in der Nacht der offiziellen Ergebnisse das Militär putschte und Ali Bongo verhaftete. In Kamerun kennt man diesen Präzedenzfall genau, und vielleicht verschob auch deswegen das Regime die Ergebnisverkündung.
Land unter Schock
In Tchiromas Heimatstadt Garoua im Norden Kameruns ist derweil die Anspannung groß, die Menschen fürchten eine Entführung des mutmaßlichen Wahlsiegers aus seiner gut bewachten Residenz. Der Tod der 30-jährigen Zouhairatou Hassana in Garoua am vergangenen Dienstag schockiert indes das ganze Land.
Die Grundschullehrerin wurde auf dem Heimweg von der Arbeit von einem professionell ausgerüsteten Killer in Zivil erschossen, als in der Nähe Demonstrationen stattfanden. In ihrer Heimatstadt Ngaoundéré kam es am Donnerstag zu schweren Unruhen, Plakate des Präsidenten wurden öffentlich verbrannt.
Jeder in Kamerun weiß: Biyas nächste siebenjährige Amtszeit, an deren Ende der Präsident 99 Jahre alt wäre, kann das Land nur ins Chaos stürzen. Denn wenn er vorher stirbt oder auf Dauer aus seiner Schweizer Privatklinik zu regieren versucht, droht Kamerun ein Machtkampf zwischen seinen Söhnen und Generälen.
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