Late Night Talk: Mit Emotionen arbeiten

Welche Rolle spielen Gefühle bei der Arbeit? Arlie Russell Hochschild spricht auf dem taz lab über Kundenfreundlichkeit und Entspannungsstress.

Emotionen sind Bestandteil der Arbeitswelt: Mitarbeitende sollen ihre Gefühle gezielt einsetzen, um Kunden für sich zu gewinnen Bild: dpa

taz: Sie haben viel zu Emotionsarbeit geforscht. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Emotionsarbeit“?

Arlie Russell Hochschild: Emotionsarbeit ist die Arbeit, die wir leisten, um unsere ­Gefühle zu steuern – indem wir etwa extra ein Lächeln abrufen oder Unsicherheit unterdrücken, entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Jobs. Viele Jobs fordern von uns, bestimmte „Gefühlsregeln“ zu befolgen. Gefühlsregeln sind gesellschaftlich geteilte ­Normen, die beeinflussen, wie Menschen versuchen, bestimmte Gefühle in be­stimmten ­gesellschaftlichen Kontexten zu zeigen.

In welchen Berufen spielt solche Gefühlsarbeit eine wesentliche Rolle?

Die meisten Arbeitenden im wachsenden Servicesektor benutzen Elemente der Gefühlsarbeit, etwa Flugbegleiter*innen, Rechnungseintreiber*innen, Erzieher*innen, Ver­käufer*innen, Frisör*innen, Kranken­pfle­ger*innen, Ärzt*innen, Bestatter*innen, Lehrer*innen, aber auch Manager*innen, Rich­ter*innen oder Anwält*innen. Eben all jene, die auf Arbeit persönlichen Kontakt mit Teilen der Öffentlichkeit haben.

ist US-amerikanische Soziologin. Sie beschäftigt sich u. a. mit der Doppelbe-lastung von Frauen, die sowohl die Hausarbeit erledigen als auch ein Arbeits- verhältnis aufrechterhalten.

Inwiefern kann Emotionsarbeit für Angestellte Stress verursachen?

In manchen Arbeitssituationen ist man widersprüchlichen Gefühlen ausgesetzt, weil man anders fühlt, als es die professionellen „Gefühlsregeln“ einfordern. Etwa wenn einem die Unsicherheit eines befristeten Arbeitsvertrags Sorgen bereitet, man sich aber im Job anderen Menschen gegenüber ruhig und beruhigend verhalten soll. Oder wenn ein straffer Arbeitszeitplan verhindert, dass man sich genügend Zeit für die Kinder nehmen kann, bevor sie morgens zur Schule gehen. Man sich deswegen später bei der Arbeit um sie sorgt, aber dennoch so tun muss, als ob man total in seine Arbeit vertieft ist.

Inwiefern hat die Globalisierung die Emotionsarbeit verändert und wird es auch noch weiter tun?

Ein Aspekt der Globalisierung ist die wachsende Zahl sogenannter Wanderarbeiter*innen. Pfleger*innen, die ihre Kinder und alten Verwandten in Mexiko oder auf den Philippinen zurücklassen, um sich um andere Kinder und alte Menschen in einem der Industrieländer zu kümmern.

Einige Firmen bieten eine große Auswahl an Freizeitangeboten oder sogar Entspannungsräume auf der Arbeit an. Das heißt, die Pause ist nicht mehr länger „geschützt“: Kontrollieren damit Arbeitgebende die Gefühle von Arbeitnehmenden?

Natürlich, denn damit entspannt man sich so, wie die Firma es will. Viele Firmen haben die Freizeit auf ihre Arbeitsgelände verlagert – gerade Firmen im Silicon Valley wie Google und Facebook sind da die Prototypen.

Das Interview führte GINA BUCHER, taz lab-Redakteurin.

Besondere Gespräche mit besonderen Gästen – unser neues Format für taz-lab-Besucher*innen: der Late-Night-Talk am Abend.

 

Diesmal: „Emotionsarbeit“, ein Gespräch (per Skype) mit Arlie Russell Hochschild. Wie nutzen Arbeitgeber Emotionen für sich aus und wie verpflichten sie ihre Arbeitnehmer mit Gefühlen für ihre Interessen? Ein Talk über die Entwicklung von Emotionsarbeit, Kundenfreundlichkeit, Entspannungsstress und Commitment. (19.30 Uhr, K1 im HKW)

➡ Wo? Haus d. Kulturen d. Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin

 

➡ Was? Der große taz-Kongress zum Thema Arbeit

 

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