Lateinamerika-Gipfel in Brasilien: Lula lädt zum Händchenhalten

Südamerikanisches Gipfeltreffen in Brasilien: Soll die Unasur neu belebt werden? Venezuela darf wieder mitmachen, bekommt aber Kritik zu hören.

Zwölf Männer stehen Hand in Hand vor zwölf Landesflaggen

Zwölf Männer, zwölf Fahnen – geht so Integration? Foto: Ricardo Stuckert/Palacio Planalto/dpa

BUENOS AIRES taz | Am Dienstag hatte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva seine südamerikanischen Amtskollegen in die Hauptstadt Brasília eingeladen. Ziel der Zusammenkunft war es, wieder Schwung in die südamerikanische Integration zu bringen. Und da die Eingeladenen zugleich die Staatsoberhäupter der Mitgliedsländer der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) waren, wurde heftig über deren Wiederbelebung spekuliert.

Die Unasur war 2008 auf Betreiben der linksprogressiven Leader der Region gegründet worden. Das damalige Dreigestirn Hugo Chávez aus Venezuela, Néstor Kirchner aus Argentinien sowie Lula da Silva aus Brasilien war die treibende Kraft für die Gründung der Staatengemeinschaft, der Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Surinam, Uruguay und Venezuela beitraten.

Tatsächlich hatten sich die zwölf Staatschefs nach mehr als zehn Jahren erstmals wieder gemeinsam versammelt, darunter auch Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro. Das Gruppenbild blieb jedoch ohne Dame. Perus Präsidentin Dina Boluarte wurde durch deren Premierminister vertreten. Mangels einer gemeinsamen Abschlusserklärung endete das Treffen mit unverbindlichen Appellen zur Integration, zur Vertiefung der Handelsbeziehungen sowie zur Schaffung einer gemeinsamen Währung. Lula schlug vor, innerhalb von 120 Tagen eine „hochrangige Gruppe“ zu bilden, die sich aus Vertretern der Präsidenten zusammensetzen soll.

So scheint das einzig greifbare Ergebnis die Rückkehr Maduros in die regionale Präsidentenriege zu sein. Noch im Januar hatte der Venezolaner seine Teilnahme am Celac-Gipfeltreffen in Buenos Aires im letzten Moment absagen müssen, da die argentinische Regierung seine Festnahme nicht ausschließen konnte.

Klare Kritik an Venezuelas Regierung

„Es ist der Beginn von Maduros Rückkehr“, hatte Lula tags zuvor in dessen Beisein verkündet. „Aufgrund politischer Unwägbarkeiten und Missverständnisse ist Präsident Maduro acht Jahre lang nicht nach Brasilien gekommen“, so Lula. Als offensichtliche Gegenleistung mahnte er die Abhaltung freier Wahlen in Venezuela an, die für 2024 geplant sind. „Es liegt in Ihren Händen, dass Venezuela seine eigene Geschichte schreibt und zu einem souveränen Land zurückkehrt, in dem nur das Volk durch eine freie Wahl bestimmt, wer regieren soll“, sagte Lula.

Dass aus einer Wiederbelebung des Unasur vorerst nichts wird, machte Uruguays rechtsliberaler Präsident Luis Lacalle Pou deutlich. „Wir müssen damit aufhören, ständig Organisationen zu gründen, und stattdessen endlich zu Taten kommen“, sagte Lacalle Pou und zählte die bestehenden multi- und bilateralen Zusammenschlüsse auf wie etwa den Mercosur, in dem die Integration seit Jahren hakt, oder die Celac, Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten, die keinerlei Entscheidungsbefugnis hat.

Klare Worte auch in Richtung Venezuela. „Ich war überrascht zu hören, dass das, was in Venezuela passiert ist, nur ein Narrativ sein soll.“ Schließlich gehe es um eine vollständige Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und darum, dass es keine politischen Gefangenen gebe. Ähnlich äußerte sich Chiles linker Präsident Gabriel Boric. „Die Menschenrechtsverletzungen in Venezuela sind kein erzählerisches Konstrukt, sie sind real, und ich hatte die Gelegenheit, sie zu sehen“, so Boric.

Zweifellos findet dies alles mit dem Einverständnis der US-Regierung statt. Lula war im Februar nach Washington gereist, hatte mit US-Präsident Joe Biden über den Umgang mit Venezuela gesprochen und war quasi mit dem Auftrag zurückgekehrt, Brücken zur isolierten Regierung in Caracas zu bauen. Vor allem zwei Ereignisse haben die Sicht der US-Regierung auf ihre südlichen Nachbarn verändert: Chinas wachsender Einfluss in Lateinamerika und die durch den Ukrainekrieg ausgelöste Öl- und Gaskrise.

Die 2006 gegen Venezuela verhängten US-Sanktionen, darunter das Verbot des Zugangs zum US-Finanzsystem, das Einfrieren von Bankkonten und anderen Vermögenswerten von Regierungsmitgliedern sowie die Blockade der Ölexporte der staatlichen Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela (PDVSA), werden inzwischen langsam gelockert. Zuletzt am vergangenen Dienstag, als die US-Regierung Finanztransaktionen von vier US-Unternehmen mit der staatlichen PDVSA genehmigte.

Um dem Einfluss Chinas entgegenzuwirken, touren schon seit geraumer Zeit hochranginge US-Militärs regelmäßig durch die Region. Nach Angaben der brasilianischen Tageszeitung Estado de São Paulo wurden erst kürzlich „Hunderte von Vereinbarungen“ zwischen den US-amerikanischen und brasilianischen Streitkräften geschlossen, die einen „bilateralen Personalaustausch, gemeinsame Übungen und andere professionelle militärische Aktivitäten“ vorsehen.

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