Leben auf dem Land: Schlachten und aufessen

Hühner schlachten in der x-ten Generation: Anja Baum und André Meier beschreiben in ihrer Doku "Hollerbusch statt Hindukusch", wie vertrackt sich das Leben auf dem Land anfühlt.

Wie schön ist das Leben auf dem Land wirklich? Bild: reuters

BERLIN taz | Derzeit wandert der literarische Betrieb ja dorfwärts. Der überreizte Intellektuelle und Kulturbürger sucht die Scholle und deren Bewohner auf, manchmal kauft er sich auch selbst einen Hektar - und dann schreibt er drüber.

Moritz von Uslar hat den Brandenburger beobachtet und eine Ode auf die Molle verfasst. Hilal Sezgin kaufte sich in Niedersachsen ihr Gehöft und hat ein Lob auf Tiere und gülleresistentes Schuhwerk geschrieben. Und Dieter Moor wurde von seiner Frau in einen verträumten Rinderzüchter verzaubert.

Aber es gibt Leute, die sind schon richtig lange dort, auf dem Land. Wer wissen möchte, wo es im stadtfernen Alltag so langgeht, wie es sich anfühlt, die x-te Generation Hühner zu schlachten und aufzuessen, und was das Dauerlandleben mit einem Paar macht, für den gibt's jetzt was Neues. André Meiers und Anja Baums Büchlein "Hollerbusch statt Hindukusch" stellt gewissermaßen die Langzeitdoku für Dorfromantiker dar.

"Hollerbusch statt Hindukusch. Neues von der Aussteigerfront", Anja Baum und André Meier, Seitenstraßen Verlag, Berlin 2011, 144 Seiten, 9,90 Euro

Die beiden Journalisten leben seit zehn Jahren im platten, armen und nicht eben weltoffenen Vorpommern. Dort wohnen und arbeiten sie mit Kindern und allerlei Getier unweit der polnischen Grenze in einem … tja, "Dorf' kann man wohl nicht sagen. Es scheint sich eher um eine Art Exklave im Niemandsland zu handeln, so wenig menschliches Personal taucht auf den 144 Seiten auf.

Unbequeme Wahrheit

Stattdessen geht es um Grundsätzliches. Das, worüber Landlust-Städter nur ungern nachdenken, wenn sie sich durch Immobilienportale klicken auf der Suche nach einer verträumten Kate. Die Autoren indes wissen Bescheid und berichten ihren Lesern verdienstvollerweise davon.

Da wäre der endlose, lichtlose Winter, den Meier und Baum auf ihrem Gehöft zu verbringen gezwungen sind, weil der Winterdienst die Straße zu ihrem Vorwerk nicht vom Schnee geräumt hat. Oder die lebenswichtige Frage, was tun, wenn es keinen Landarzt gibt, und man Herzschmerzen bekommt. Den Strick über den Scheunenbalken werfen oder anderthalb Stunden in die Kreisstadt reisen?

Und dann die Kinder, die das Paar einst raus ins Grüne verschleppt hat. Nun sind sie groß und pubertär, und wer ist man, dass man der paarungswilligen Tochter nicht mit Dreißigkilometerfahrten zum Lover in spe zu Diensten wäre? Und da wären natürlich noch die Tiere. Elendig verendet das Pferd in der Stahlarmierung, blutig verläuft die letzte Nacht der Hühner, als der Fuchs sie holt. Und der Hofhund macht auch langsam schlapp.

Es sind einfache, wahre Geschichten, die die beiden in 16 Kapiteln aufgeschrieben haben - mal erzählt sie, dann er, und dann quatscht wieder der andere rein. Und was soll man sagen? Man hat endlich mal das Gefühl, hier die Wahrheit nachlesen zu können über das Landleben. So vertrackt und so schön ist es nämlich da draußen. Die beiden - so viel ist klar - gehen da nie wieder weg. Anstrengend kann sehr guttun.

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