Lebensmittelhilfe für Bedürftige : Schwarz-Gelb macht Europa hungrig

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die bisherigen Lebensmittelhilfen der EU abzuschaffen. Mit denen werden auch Milchseen und Butterberge abgetragen.

Die Milchseen will Schwarz-Gelb nicht mehr nutzen. Bild: Steve Jurvetson | CC-BY

BRÜSSEL taz | Die deutsche Bundesregierung will die EU-Lebensmittelhilfe für Bedürftige im kommenden Jahr um mehr als 75 Prozent kürzen und danach sogar ganz abschaffen. Gemeinsam mit fünf anderen Staaten blockiert Deutschland die Auszahlung entsprechender Gelder, obwohl zurzeit rund 18 Millionen EU-Bürger auf diese Lebensmittel angewiesen sind. Unterstützt werden die Deutschen von Großbritannien, Schweden, den Niederlanden, Dänemark und der Tschechischen Republik.

"Für uns ist die Kürzung der europäischen Hilfe eine Katastrophe. Ich bin richtig wütend. Das hat nichts mehr mit Solidarität zu tun", ärgert sich Kathy Stinissen vom Roten Kreuz Belgien. In ihrem Land profitieren bisher rund 224.000 Menschen von dem Programm.

Auch aus Frankreich kommt Protest. Der zuständige EU-Kommissar hat ebenfalls wenig Verständnis für die deutsche Haltung: "Die Union erlebt eine ihrer schwersten Wirtschaftskrisen seit Jahrhunderten. Deshalb sind immer mehr Bürger auf solche Hilfen angewiesen", sagte der rumänische EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos.

Bisher kauft die Europäische Union jedes Jahr für rund 500 Millionen Euro Lebensmittel auf, die von den europäischen Landwirten zu viel produziert werden. So wurden nach und nach die berüchtigten Milchseen und Butterberge abgetragen.

In der Praxis heißt das: Der Wert der überschüssigen Lebensmittel wird ermittelt. Für diese Summe dürfen die sozialen Organisationen Lebensmittel auf dem freien Markt einkaufen. Das ist mit 440.000 Tonnen jährlich ungefähr die Hälfte dessen, was die Lebensmittelbanken insgesamt in der EU verteilen.

Deutschland sagt: das ist keine Agrarpolitik

Deutschland hat noch nie Gelder aus dem Programm abgerufen. "Die Versorgung Bedürftiger ist die Aufgabe der Mitgliedstaaten und nicht der EU", sagte Staatssekretär Robert Kloos, der die Bundesregierung gestern in Brüssel vertrat. "Wir wehren uns gegen ein Programm innerhalb der Agrarpolitik, das nichts mehr mit Agrarpolitik zu tun hat", erklärte er. "Wir sind für Bedürftigenhilfe, aber nicht aus dem EU-Topf", sagte Kloos.

Der Streit über die Fortführung des Programms ist entstanden, weil nicht mehr genügend Überschussware produziert wird. Die Lager sind weitgehend leer geräumt. Für 2012 hat die EU-Kommission gerade mal einen Gegenwert von überschüssigem Magermilchpulver und Getreide von rund 130 Millionen Euro errechnet.

Nur dieses Geld kann nun auch verwendet werden. Deutschland und weitere fünf Staaten blockieren Zahlungen, die darüber hinausgehen. Sie stützen sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufgrund einer Klage der Bundesregierung, wonach Zukäufe vom freien Markt stark beschränkt werden müssen.

Deutschland reicht eine Minderheit, um das Programm zu kippen

Der EU-Kommissar Ciolos schlägt trotzdem vor, im Zeitraum 2014 bis 2020 rund 2,5 Milliarden Euro für das Programm zur Verfügung zu stellen. Unterstützt wird er dabei von zahlreichen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament. Wegen der Abstimmungsregeln im Ministerrat reicht die Minderheit rund um Deutschland, um dem Programm spätestens 2013 den Todesstoß zu versetzen.

Die polnische EU-Präsidentschaft will das Thema eventuell bei einem der nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs thematisieren. Das Rote Kreuz in Belgien bittet bereits um Spenden, um das EU-Loch zu stopfen.

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