Leistungsschutzrecht für Presseverlage: Die kleine Lösung

Schwarz-Gelb will ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einführen. Für Texte und Textzitate sollen Suchmaschinen und Aggregatoren Geld zahlen.

Viele Kritiker ließen sich vor den Karren von Google spannen, meint Springer-Mann Christoph Keese. Bild: dpa

BERLIN taz | Nun hat das Wortungetüm also den Segen der Regierung: Am Sonntag einigte sich der Koalitionsausschuss darauf, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einführen zu wollen.

Konkret würde es bedeuten, dass Zeitungsverlage von Suchmaschinen wie Google und anderen „gewerblichen Nutzern“ Geld dafür bekämen, wenn die ihre Texte oder Teile davon im Netz verbreiten - etwa über den Dienst Google News, aber auch über Seiten wie die digitale Feuilletonschau Perlentaucher.

Mit ihrer Ankündigung, dass es ein Gesetz für ein derartiges Leistungsschutzrecht für Presseverlage geben soll, löst die Koalition erst einmal nur ein Versprechen ein, dass bereits so alt ist wie die amtierende Bundesregierung - die nahm sich die Einführung eines solchen Rechtes nämlich bereits im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vor.

Motiviert wurden sie dazu von den Presseverlagen, die sich daraus zusätzliche Einnahmen erhoffen - weil sie es als ungerecht empfinden, dass Google und anderen Anbieter zum Beispiel Artikel, die die Verlage kostenfrei im Netz zur Verfügung stellen, weiterverbreiten und damit ihrerseits Geld, zum Beispiel über Werbung, verdienen.

Diese „Schutzlücke“, so argumentieren der Verlegerverband BDZV und vor allem Springer-Konzerngeschäftsführer Christoph Keese, gelte es, durch das Leistungsschutzrecht zu schließen - hätten doch auch die Musik- und die Filmbranche ähnliche Rechte.

Kniefall der Politik

Doch diese Forderung stieß auf massive Kritik: Urheberrechtskritische Aktivisten, aber auch Journalisten und natürlich Google kritisierten es als einen überzogenen Anspruch der Verleger, für kleinste Textschnipsel Geld zu verlangen, monierten, dass gesetzlich ausgeglichen werden solle, dass Verleger ihre Artikel im Netz kostenfrei zur Verfügung stellen, indem künftig Google und Co zahlen sollen.

„Das ist etwa, als müssten die Gelben Seiten den Unternehmen dafür zahlen, dass sie ihre Informationen annehmen dürfen. Als müsste der Busfahrer dem Kirmesbetreiber Geld dafür geben, dass er die Kunden zu ihm bringt“, schrieb Medienjournalist Stefan Niggemeier am Montag morgen in seinem Blog. Denn Google und andere Suchmaschinen und News-Aggregatoren würden die Leser ja erst auf die Seiten der Verlage führen.

Häufig war von einem Kniefall der Politik vor den Lobbybemühnen der Verlage zu lesen. Die Verlage wiederum schlugen zurück: Viele Kritiker ließen sich vor den Karren von Google spannen, kritisierte erst kürzlich Springer-Mann Christoph Keese in seinem Blog.

„Total schwammig“

Der BDZV begrüßte die Ankündigung der Koalition zwar, musste aber im Verhältnis zu seinen ursprünglichen Forderungen Einbußen hinnehmen. „Das ist eine kleine Lösung im Vergleich zu dem, was die Verlage wollten“, sagt zum Beispiel der Rechtsanwalt Ole Jani von CMS Hasche Sigle. Dass die Koalition die anstrebe und sich die Überlegung der Verlage nicht zu eigen gemacht habe, halte er aber für „für völlig richtig und für urheberrechtlich absolut zwingend“.

Auch der Journalist Matthias Spielkamp von irights.info meint zu erkennen, dass die Verleger zurückstecken mussten - zum Beispiel, weil laut Koalitionspapier in der „gewerblichen Wirtschaft“ das „Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnissen kostenfrei“ bleiben sollen ­– anders als von den Verlegern ursprünglich gefordert.

Spielkamp allerdings sieht das gesamte Vorhaben wesentlich kritischer, teilt die Ansicht der Verleger, dass es eine „Schutzlücke“ gebe, nicht und vergleicht das Leistungsschutz-Vorhaben mit dem internationalen Anti-Piraterie-Abkommen ACTA: Beide seien „total schwammig“, Details müssten vor Gericht geklärt werden.

Der Teufel im Detail

Lange war unklar, worüber im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht eigentlich gestritten wird - denn der Teufel steckt in digitalen Rechtefragen oft im Detail, und obwohl schon seit Jahren über die Angelegenheit gestritten wird, liegt noch immer kein Gesetzesentwurf vor, an dem man sich abarbeiten kann. Die Veröffentlichung aus dem Koalitionsausschuss von Sonntag liefert nun erste konkrete Anhaltspunkte.

So heißt es dort: „Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikeln) im Internet ein Entgeld an die Verlage zahlen.“ Auch Urheber, so heißt es dort weiter, sollten eine „angemessene finanzielle Beteiligung“ erhalten. Die „private Nutzung“ von Presseerzeugnissen sollen allerdings nicht vergütungspflichtig sein.

Das lässt in den Augen von Kritikern aber noch viele Fragen offen - etwa, was genau ein “gewerblicher Anbieter“ sei: Fallen darunter nur kommerzielle Schwergewichte wie Google oder wären auch kleine Onlinemagazine betroffen, die über Onlinewerbung ein paar hundert Euro im Monat verdienen würden? „Wie bei jedem neuen Gesetz wird es auch hier Konkretisierungsbedarf geben - etwa zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Blog unter das Leistungsschutzrecht fällt“, so Anwalt Jani. Generell könnten diese Konkretisierungen hier aber wie bei anderen Urheberrechtsfragen mit Hilfe der „vorhandenen Rechtsprechung“ bewältigt werden." Journalist Spielkamp hingegen befürchtet „riesige Differenzierungsprobleme“.

Was heißt „kleinere Teile“?

Unklar bleibt auch, was genau geschützt werden soll: Sind mit "kleineren Teile" journalistischer Beiträge auch Überschriften, kurze Anmoderationen oder Zitate aus Texten gemeint? Hier beruhigt der Rechtsanwalt Jani: „Textzitate, die heute zulässig sind, werden auch morgen zulässig sein, daran ändert sich durch das Leistungsschutzrecht nichts.“

Klar scheint schon jetzt: Von einem Leistungsrecht profitieren würden vor allem größere Verlage und Zeitungen - kleinere wären auf den Traffic, den Aggregatoren und Suchmaschinen ihnen liefern ohnehin angewiesen und würden aufgrund ihrer Größe von Schutzrechten in weit geringerem Maße profitieren.

Den Gesetzeentwurf für das Leistungsschutzrecht würden die Verlage noch nicht kennen, schrieb Springer-Mann Keese am Sonntag in seinem Blog. Ist der erst einmal öffentlich, und Experten versichern, dass es in Kürze so weit sein werde, kann endlich am lebenden Gesetzestext darüber gestritten werden, was denn nun genau wie geregelt werden soll, mit diesem Wortungetüm Leistungsschutzrecht.

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