Leistungsschutzrecht in Kraft: Das Pfui-bäh-Gesetz

Am Donnerstag geht’s los: Zeitungen können bei Google und Co die Hand aufhalten. Was ist nochmal das Leistungsschutzrecht?

„Leistung muss sich wieder lohnen“, sagte schon Helmut Kohl irgendwann in den 1980ern Bild: dpa

Es klingt kurios: Viele Verlage stellen ihre Meldungen, Interviews, Reportagen und Analysen frei ins Netz, schickt ihnen dann aber jemand Leser vorbei, können sie sich nicht vorbehaltlos freuen.

Anders lässt sich das Leistungsschutzrecht für Presseverlage nicht deuten, das heute in Kraft tritt. Es ermöglicht Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, Dienste zur Kasse zu bitten, die ihre frei zugänglichen Veröffentlichungen für Internetnutzer sortieren.

Was soll das?

Das Leistungsschutzrecht ist auf Druck vieler Verlage entstanden. Besonders stark gemacht hat sich der Axel-Springer-Konzern, der nun – Ironie! – viele Zeitungen und Zeitschriften abschüttelt. Letztlich soll das Leistungsschutzrecht ein Baustein von vielen sein, mit denen Verlage im Digitalen ihre Kassen füllen wollen, neben Werbung (bringt im Netz wenig ein) und Abogebühren (will im Netz kaum einer zahlen). Wie viel Geld es den Häusern aber einbringen kann, ist allerdings noch völlig unklar.

Geht es nach den Verlagen, dann soll das neue Gesetz aber auch als ein politisches Signal verstanden werden. Erst am Mittwoch sagte etwa der Vorsitzende des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger, Valdo Lehari, das Leistungsschutzrecht sei Teil der Strategie „weg von der Unkultur des Kostenlosen, weg vom Missbrauch des Copyrights“. Dass es die Verlage selbst waren, die über zwei Jahrzehnte Nutzer daran gewöhnt haben, dass Journalismus nichts kostet, verschweigen sie indes gern.

Warum spielt die Politik da mit?

Erstens: Eine Regierung zieht doch im Wahljahr nicht den Frust der Verlage auf sich – da wird gehorcht. Zweitens: Oft haben die Entscheidungsträger in der Regierung keine Ahnung, wie sehr sie mit ihren Entscheidungen das Internet ins Chaos stürzen.

Dass ein Leistungsschutzrecht gewaltige Probleme mit sich bringen würde, haben zwar die Netzpolitiker von Schwarz-Gelb früh erkannt. So warnte der netzpolitische Verein der Union, Cnetz, dem auch Abgeordnete wie Thomas Jarzobmek und Peter Tauber angehören, vor diesem „Hemmschuh für das Internet in Deutschland“. Gebracht hat das wenig: Netzpolitiker sehen das Zentrum der Macht auch 2013 allenfalls auf Postkarten.

Wer leidet unter dem LSR?

Der einfache Blogger wird nicht bedroht. Das Gesetz zielt auf „gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten“ ab, sogenannte News-Aggregatoren. Glaubt man den Verlagslobbyisten, dann geht es erst mal nur um Google. Doch die Regierung hat das neue Gesetz so nebulös formuliert, dass auch viel kleinere Angebote zittern. Rivva.de etwa, ein Dienst, der erfasst, welche Links deutschsprachige Nutzer über soziale Netzwerke verbreiten, hat angekündigt: etwa 650 Lokalzeitungen, Magazine und deren Blogs werden „angesichts der aktuellen Rechtsunsicherheit“ nicht mehr aggregiert.

Dabei ist der Dienst nicht gerade eine Gelddruckmaschine: Dahinter steht ein Einzelkämpfer, der vom Sponsoring lebt.

Was macht Google jetzt?

Google hat zu einem klugen Trick gegriffen: Es hat einfach die deutschen Verlage gefragt, ob sie weiter beim Dienst „Google News“ gelistet werden wollen, der teils erhebliche Leserströme zu ihnen lenkt. Wer einwilligt, soll gleich mit erklären, dass die Verwendung von Links samt kleiner Auszüge, sogenannter Snippets, den US-Konzern nichts kosten. Wer dem nicht zustimmt, fliegt ab heute aus dem Angebot von Google News raus.

Wie konsequent sind die Verlage dabei?

Die meisten Verlage wollen nicht auf die Verlinkung bei Google News verzichten, das letztlich auch dafür sorgt, dass aktuelle Artikel bei Googles klassischer Websuche weiter oben gelistet werden. „Ein sogenanntes ’De-listing‘ hätte für die FAZ erhebliche Reichweitenverluste bedeutet“, hieß es dazu offiziell aus dem Pressehaus am Main – angesichts der Marktstärke von Google ein unüberschaubares wirtschaftliches Risiko. Heißt im Klartext: Die Verlage brauchen Google, Google aber die Verlage nicht.

Google Deutschland jubilierte prompt: „Hunderte Verlage“ hätten sich fürs „Opt-in“ entschieden. Neben der FAZ haben auch der Springer-Verlag (Bild, Welt), Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) und die Burda-Gruppe (Focus, Bunte) ihr Okay gegeben. Allerdings nicht, ohne ein „Aaaaaber“ hinzuzufügen: Ihre Einwilligung steht unter Vorbehalt – bis die Verlage gemeinsam einen Weg gefunden haben, das Leistungsschutzrecht auch tatsächlich zu nutzen. So verhält sich nach Aussage der Geschäftsleitung auch die taz.

Wo sind die Mutigen?

Es gibt Zeitungen, die auf ein Listing bei Google News verzichten: eine Handvoll Lokalzeitungen, für die Laufpublikum nicht so wichtig ist wie für die Großen, darunter die Koblenzer Rhein-Zeitung. „Unsere Existenz hängt nicht von Google ab“, so deren Chefredakteur Christian Lindner.

Wann fließt nun Geld?

Erst müssten die Verlage eine eigene Verwertungsgesellschaft gründen – eine Art Gema für Pressetexte. Oder sie müssen sich einer bestehenden anschließen. Offerten gibt es, von der VG Media etwa, die sonst für Privatsender bei Hotels und Kneipen kassiert. Dietmar Wolff, Chef des Verlegerverbandes BDZV, sagt zum Stand der Dinge: „Es zeigt sich, dass die Umsetzung nicht mal eben in ein paar Wochen geht.“ Heißt: Das kann dauern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.