Libyen-Friedensgespräche in Tunis: Kriegsgewinnler im Nachtleben

Tagsüber sprechen die Warlords in einem Luxus-Hotel über Frieden; nachts lockt das Cabaret. Den Status quo wollen sie aufrechterhalten.

Roter Teppich für Feldmarschall Haftar (l.) am Flughafen in Tunis Foto: imago/

Die Kontrollen am Eingang gleichen denen der umliegenden Luxus-Ressorts. Gelangweilt schauen unterbezahlte Angestellte einer Sicherheitsfirma in die Taschen der Urlauber, Geschäftsleute – und der libyschen Politiker. Irgendwie scheint Letztere hier niemand so richtig ernst zu nehmen, wie zu Hause auch.

Morgens gegen 10 Uhr fahren Taxis vor, stämmige Männer in Anzügen mit ernsten Blicken steigen aus. Es sind libysche Milizenführer, die aus dem Nachtclub ein paar Straßen weiter kommen. Abends im Cabaret stecken die libyschen Kriegsgewinnler den Tänzerinnen Tausende Euro zu, wenn diese nur den richtigen Ort nennen können, aus dem die Männer kommen, die an den kreisrunden Tischen den Alkohol fließen lassen.

Der Portier des „Carthage Thallasso“ öffnet zwei Libyern die Taxitür, während diese angeheitert die Lage im Küstenort Sabratha diskutieren. „Vielleicht verhandeln die Vereinten Nationen mit den Falschen“, sagt der Portier leise und lächelt. Die Herren im 5-Sterne-Hotel sollen bei den am vergangenen Dienstag begonnenen Gesprächen den gordischen Knoten namens Libyen lösen.

Delegationen des sogenannten Staatsrates, der in der libyschen Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes regiert, und des nach Ostlibyen geflohenen Parlamentes sollen sich nach Wunsch der UN-Vermittler auf die Gründung einer gemeinsamen Armee und auf einen neuen reduzierten Staatsrat einigen, der dem in Tripolis regierenden Übergangspremier Fayez al-Serraj zur Seite steht.

Friedensabkommen nie in Kraft getreten

Zur Debatte steht die Renovierung des Friedensabkommens, das der ehemalige UN-Sonderbeauftragte Martin Kobler im Dezember 2015 im marokkanischen Skhirat ausgehandelt hatte, das aber formal nie in Kraft getreten war. Denn das 2014 gewählte libysche Parlament hat dank einer geschickten Blockadepolitik der Einsetzung der Übergangsregierung Serraj in Tripolis nie zugestimmt. Es verzog sich lieber nach Tobruk.

EU und UNO beschlossen, den Geschäftsmann Serraj aus Tripolis dennoch als Regierungschef anzuerkennen. Doch der deutsche Krisenspezialist Kobler, vorher im Kongo im Einsatz, schaffte es nicht, die zerstrittene libysche Politszene zu überzeugen. Vielmehr bekämpft aus dem Osten Libyens heraus der selbsternannte Armeechef und Feldmarschall Haftar Milizen aus anderen Landesteilen.

UN-Vermittler Ghassan Salame weiß, dass die Pattsituation so nicht weitergehen kann

Serraj kontrolliert bis heute nur Teile der Innenstadt von Tripolis. Um sich vor lokalen Milizen zu schützen, kehrt der 54-Jährige wie viele Minister jeden Abend auf die Marinebasis im Hafen zurück, über die er bei seinem Amtsantritt in die Stadt gelangte. Er hat wenig Möglichkeiten, die Hauptstädter auf seine Seite zu ziehen – bei 19 Stunden Stromausfall am Tag und die auf 40 Euro begrenzte monatliche Auszahlung vom Konto am Geldautomaten. Dazu kommt die Angst vor Entführungen durch Banden.

Der im August als Nachfolger Koblers angetretene UN-Sonderbeauftragte Ghassan Salame weiß, dass die zweijährige diplomatische Pattsituation so nicht weitergehen kann. Mit einem kleinen neuen Beraterteam suchte der ehemalige libanesische Gesundheitsminister vor allem im Osten Libyens nach möglichen Kompromissen.

Die Ost-West Spaltung eskalierte zu einem Bürgerkrieg

Hier hat der aus Kairo unterstützte Haftar nach seiner Eroberung der zweitgrößten libyschen Stadt Bengasi von islamistischen Milizen das Sagen. „Haftar gelang es, das Vertrauen der Stämme und der Mehrheit der Bürger zu gewinnen, denn eine zweite Diktatur, diesmal unter religiösem Vorwand, wollte in Bengasi niemand“, sagt der Journalist Ala Drissi.

Dass islamistische Gruppen bei ihrem Kampf gegen Haftar militärische Unterstützung aus westlibyschen Orten wie Misrata erhielten, hat die traditionelle Ost-West Spaltung Libyens zu einem Bürgerkrieg eskalieren lassen: im Osten das Parlament mit selbsternannter Regierung und einer von Haftar geführten Armee, im Westen die international anerkannte Einheitsregierung von Fayez al-Serraj.

Während Katar, Italien und die Türkei die Einheitsregierung Serraj samt den Milizen aus Misrata unterstützen, liefern Saudi-Arabien, Ägypten, Russland und Frankreich Waffen an die Armee Haftars und deren Verbündete.

Bei den Gesprächen drängen die internationalen Vermittler auf eine schnelle Grundsatzeinigung. UN-Vermittler Salame will vor allem eine Neuformulierung des Artikel 8 des Friedensabkommens, der die Kontrolle über die Armee, die Zentralbank und den libyschen Investmentfonds regelt. Während Haftar das Kommando über die Armee einfordert, lehnen ehemalige revolutionäre Milizen aus Westlibyen und Misrata ihn ab.

Die Scheine werden in Russland gedruckt

Die Kontrolle der Zentralbank könnte hier entscheidend sein. Sie wird von Sadek Omar Elbakeer geleitet, der von Malta und Tripolis aus arbeitet. Es gibt noch eine Zweigstelle im Osten, die in Russland gedruckte Scheine unters Volk bringt.

Doch letztendlich werden Armee und Milizen gleichermaßen mit Staatsgeldern aus der Zentralbank bezahlt, und daher wollen im Grunde alle Kriegsparteien in Libyen den Status quo erhalten: Armee und Milizen, Moderate und Radikale.

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