Libyen nach Gaddafi: Westerwelle will wieder mitspielen

Außenminister Guido Westerwelle sieht Deutschland in einer Schlüsselrolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung Libyens. Muammar al-Gaddafi will unerkannt durch Tripolis gelaufen sein.

Hier ist die Sache längst klar: junge Frau in Bengasi. Bild: dapd

TRIPOLIS/BERLIN dpa/afp/rtr | Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sieht eine Schlüsselrolle Deutschlands bei der wirtschaftlichen Entwicklung Libyens nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi. Der gestürzte libysche Herrscher Muammar al-Gaddafi ist nach eigenen Angaben unerkannt durch Tripolis spaziert.

"Libyen braucht jetzt einen Wiederaufbau, der das Land dauerhaft stabilisiert. Hier hat Deutschland Erfahrung und eine besondere Kompetenz", sagte Westerwelle der Passauer Neuen Presse. "Wir werden Libyen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn das gewünscht wird." Der wirtschaftliche Aufbau sei entscheidend für den Erfolg des politischen Umbruchs hin zu einer Demokratie.

Westerwelle forderte eine schnelle Freigabe der eingefrorenen Gelder der Regierung von Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi. Allein in Deutschland seien es 7,3 Milliarden Euro. "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Mittel nun schnell freigegeben werden und dem libyschen Volk für den Wiederaufbau zur Verfügung stehen. Das Land darf jetzt nicht in der Zeit nach Gaddafi in Chaos versinken, sondern muss zurückfinden zu geordneten Verhältnissen", so der Bundesaußenminister.

Bereits innerhalb der nächsten Tage solle der Übergangsrat der bisherigen libyschen Rebellen aus Deutschland das erste Geld aus einem Regierungsdarlehen über insgesamt 100 Millionen Euro erhalten. Mit dem Geld solle die Arbeit der Übergangsregierung unterstützt werden, bis das im Ausland beschlagnahmte Milliardenvermögen des Gaddafi-Regimes freigegeben ist.

Die Entscheidung Deutschlands, keine Soldaten in den Kampf gegen Gaddafi geschickt zu haben, hält er nach wie vor für richtig. "Wir haben unseren Beitrag zum Umbruch mit politischen Mitteln geleistet", sagte er. "Die Sanktionen und die internationale Isolierung waren von großer Bedeutung. Dadurch ist Gaddafis Regime von Nachschubquellen abgeschnitten worden."

Zur Debatte über einen möglichen Bundeswehreinsatz zur Stabilisierung des Übergangsprozesses in Libyen sagte Westerwelle, zunächst einmal müssten die Libyer selbst gefragt werden, was sie an Unterstützung wollten.

Özdemir: Bringschuld Deutschlands

Nach Einschätzung des Grünen-Vorsitzenden Chef Cem Özdemir hat Deutschland eine Bringschuld. "Mit demokratischer Aufbauhilfe können wir Deutschen eine kleine Form der Wiedergutmachung dafür leisten, dass wir praktisch nicht dazu beigetragen haben, dass Diktator Gaddafi vertrieben wurde. Wir sind nun in der Bringschuld", sagte Özdemir der "Rheinischen Post". "Die Zeit der deutschen Sonderwege in der Libyenfrage muss jetzt endgültig vorbei sein."

Auch der außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, kritisierte die deutsche Haltung während des Libyen-Konflikts. "Außenminister Westerwelle hätte im UN-Sicherheitsrat "Ja" zum Militäreinsatz sagen müssen. Jetzt gibt es Grund zur Freude über den Erfolg der Nato und der Rebellen", sagte Missfelder der "Ostsee-Zeitung". "Deutsche Helfer sollten beim Wiederaufbau Libyens eine aktivere Rolle spielen als beim Sturz Gaddafis." Deutschland hatte sich an dem vor einem halben Jahr begonnenen Militäreinsatz in Libyen nicht beteiligt.

Gaddafi gibt sich ungeschlagen

In einer Audiobotschaft habe Gaddafi erklärt, er habe unerkannt eine Tour durch die Hauptstadt unternommen, ohne eine Gefahr zu erkennen, wie der arabische Fernsehsender Al-Arabija am Mittwoch berichtet. "Alle Libyer, Männer und Frauen, sollten nun in Tripolis sein, um die Verräter auszulöschen", habe Gaddafi erklärt. Die Botschaft sei von der lokalen Fernsehstation Al-Rai ausgestrahlt worden.

Auch nach dem Sturm seines Hauptquartiers zeigt sich Muammar al-Gaddafi kämpferisch. In einer Audiobotschaft rief der 69-Jährige am Mittwochmorgen die Bevölkerung zum Widerstand auf. Zuvor hatte der Diktator in einer esten Audiobotschaft angekündigt, bis zum "Märtyrertod oder Sieg" kämpfen zu wollen.

Ein Rebellensprecher sagte, die Frage sei nicht mehr, wo sich Gaddafi aufhalte, sondern nur noch, wann er festgenommen werde. Auch einen Tag nach der Erstürmung des militärischen Hauptquartiers war unklar, ob sich Gaddafi in der Hauptstadt Tripolis versteckt hat oder ob er in den Süden des Landes geflüchtet ist.

Eine lokale Radiostation habe einen Aufruf von einem Mann verbreitet, bei dem es sich um Gaddafi handle, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira. Darin habe er die Libyer aufgefordert, die Hauptstadt Tripolis von den Aufständischen "zu säubern". Gaddafi habe den Aufständischen Folter vorgeworfen. Sie würden Gegner "exekutieren".

Die britische BBC meldete unter Berufung auf den Gaddafi-treuen Sender al-Urubah, dass Gaddafi seinen Rückzug aus dem Militärkomplex Bab al-Asisija im Süden von Tripolis als "taktisches Manöver" bezeichnet habe. Die Anlage sei bereits durch 64 Nato-Luftangriffe in den vergangenen Monaten zerstört worden, habe er gesagt.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew ruft Gaddafi und die Rebellen dazu auf, ihre Kämpfe so bald wie möglich einzustellen. Beide Seiten sollten sich an einen Verhandlungstisch setzen.

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