Linke Ultras treffen auf rechte Hooligans: Partys mit Gewaltpotenzial

In Bremen spielt die Antifa-Band „Feine Sahne Fischfilet“ am Freitag ein Soli-Konzert für den linken Ultra Valentin. In Rufweite wollen rechte Hooligans feiern.

Harmlose Opfer eines linken Gewaltakts? Hooligans beim Nordderby im April vor dem Verdener Eck in Bremen Foto: Ali Weißdorn

BREMEN taz | Im Bremer Bahnhofsviertel droht am Freitag ein Aufeinandertreffen antifaschistischer Ultra-Fans und rechter Hooligans: In der Diskothek „Tower“ tritt dort am Abend die Deutschpunk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ auf – aus Solidarität für den linken Ultra Valentin, der seit Juli in Untersuchungshaft sitzt. In Rufweite der Disko wollen am gleichen Abend Hooligans in der Kneipe „Bells“ feiern, die als Treffpunkt gewaltbereiter Neonazis bekannt ist.

Laut Polizei haben die Hooligans ihre Veranstaltung als „Abschlussfeier“ angekündigt, weil in der Kneipe der Betreiber wechseln solle. Nach Informationen der taz allerdings ist die Feier der Hools vor allem eine Reaktion auf das Konzert – sie rufen gleichzeitig zu Aktionen auf, die den Ultra Valentin diskreditieren sollen.

Valentin war im Juli verhaftet worden. Er soll bei Auseinandersetzungen zwischen linken Ultras und rechten Hooligans während des Nordderbys am 19. April einen Hooligan verprügelt haben. Weil ihm weitere Körperverletzungen vorgeworfen werden, ging die Staatsanwaltschaft von einer Wiederholungsgefahr aus (taz berichtete).

An dem Tag des Nordderby war nach taz-Informationen eine Gruppe Ultras von der Polizei aus der Richtung des Weser Stadions in die Verdener Straße getrieben worden, wo vor der Kneipe „Verdener Eck“ mehrere rechte Hooligans standen. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, im Zuge derer Valentin mit acht weiteren Verdächtigen einen Hooligan angegriffen haben soll, den die Polizei allerdings nicht der rechten Szene zuordnet. Gegen Hooligans wird in dem Zusammenhang laut Staatsanwaltschaft nicht ermittelt.

Der Konflikt zwischen rechten Hooligans und linken Ultras hat in Bremen eine lange Geschichte.

1990 gründete sich in Bremen die Hooligan-Gruppe „Standarte Bremen“. Henrik Ostendorf gilt als deren langjähriger Anführer. 1994 kam mit den City Warriors eine weitere Nazi-Hool-Truppe hinzu, 2006 „Nordsturm Brema“. 2015 verkündete die „Standarte“ ihre Auflösung, ist aber weiter aktiv.

1997 spielte Henriks Bruder, Hannes Ostendorf, mit seiner Band im Ostkurvensaal des Weser Stadions. Die Band wurde später als „Kategorie C“ bekannt und mischte zuletzt bei den HoGeSa-Protesten mit.

Bis zur Jahrtausendwende waren die Nazi-Hools im Stadion und der Fanszene präsent und wurden geduldet.

2002 gründete sich mit „Cercle d’Amis“ die erste linke Ultra-Gruppe. 2005 kamen mit „Infamous Youth“ und „Racaille Verte“ zwei größere antirassistische Gruppen hinzu.

Seitdem kam es zu zahlreichen Angriffen der Hooligans, etwa bei Werder-Spielen 2004 in Valencia und 2005 in Hamburg.

2007 überfielen „Standarte“- und „Nordsturm“-Hools eine Party von antirassistischen Fans im Ostkurvensaal und verletzten 42 Menschen. Zwei davon mussten ins Krankenhaus. Die Täter kamen Jahre später mit Geldstrafen davon.

Mehr Infos unter:bremer-schattenbericht.com

Die UnterstützerInnen Valentins kritisieren dies als einseitige Repression gegen einen Antifaschisten. Für sie steht die Schlägerei im Kontext eines jahrelangen politischen Konflikts innerhalb der Bremer Fan-Szene, bei dem es immer wieder zu Angriffen der Hooligans kam, weil ihnen die Antidiskriminierungsarbeit in der Kurve ein Dorn im Auge war (siehe Kasten). Europaweit ist es zu Solidaritätsaktionen für Valentin gekommen – so auch das Konzert im „Tower“ am Freitag. Mit 300 Gästen ist es ausverkauft.

Wie viele Menschen im „Bells“ auflaufen werden, kann die Polizei am Donnerstag noch nicht einschätzen. „Im Moment gehen wir davon aus, dass im regionalen Bereich beworben wird“, sagte Polizeisprecher Nils Matthiesen der taz. „Wir wissen, dass das ‚Bells’ ein beliebter Treffpunkt der rechten und gewaltbereiten Hooligan-Szene ist.“ Aufgrund der Rivalität zu den „linksgerichteten Gästen“ im „Tower“ werde die Polizei „vor Ort sein, um mit ausreichend Kräften gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern“. Matthiesen appellierte an alle, friedlich zu bleiben.

Die Diskothek „Tower“ zumindest hat für Freitag ihr Security-Personal aufgestockt. Szene-Kenner erwarten im „Bells“ auch Gäste aus Leipzig und Essen: Unter anderem zu Hooligans der „Alten Garde Essen“ pflegen die Bremer Rechten seit Jahren eine „Fan“-Freundschaft. Nach taz-Informationen werben Rechte für die Veranstaltung am Freitag über ihre Kern-Szene hinaus per SMS und riefen bundesweit einen „Fuck Valentin“-Tag aus: Mit Fotos von Aktionen und Transparent soll auf die linke Solidarität reagiert werden.

Laut Fabian Jellonnek, Berater bei „Pro Aktiv gegen Rechts - Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven“ gab es dazu bereits erste rechte Aktionen in Berlin und Sachsen. „Man kann wieder einmal sehen, dass die Bremer Protagonisten bundesweit in der rechten Hooligan-Szene einflussreich sind“, so Jellonnek.

Ob indes der angebliche Betreiberwechsel des „Bells“ nun auch das Ende des Neonazi-Treffpunktes in Bremen bedeutet, kann die Polizei bislang nicht einschätzen. Die Immobilie, in der sich das „Bells“ befindet, gehört Theo Bührmann junior. Und zumindest bei seiner Firma will man von einem Mieterwechsel nichts wissen.

Ein entsprechendes Treffen oder Ähnliches habe es bislang nicht gegeben, heißt es von einem Firmenvertreter. Theo Bührmann ist Erbe des in Bremen bekannten Spieleautomaten-Aufstellers Theodor Bührmann. Er betreibt zusammen mit der städtischen Wirtschaftsförderung unter anderem das Sechs-Tage-Rennen.

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