Linke im Niedersachsen-Wahlkampf: Strenges Brustbild in der Tiefebene

Die Linksfraktion in Niedersachsen ist koalitionsreif. Allerdings müsste sie auch wollen. Und es in den Landtag schaffen. Beides ist unwahrscheinlich.

Auf der Wahlliste steht sie nicht, aber die Plakate ziert sie: Sahra Wagenknecht. Bild: dpa

HANNOVER taz | „Viel Glück“ im neuen Jahr wünschte Gregor Gysi seinen FraktionsgenossInnen am Donnerstag, „und etwas vom Gegenteil, damit man das Glück besser spürt.“ Bei der Klausur zum Jahresbeginn war das, Tagungsort Hannover. Es ist Landtagswahl am 20. Januar in Niedersachsen, da solidarisiert man sich. Und die Linkspartei hat es bitter nötig: Bei 3 Prozent sehen sie die Demoskopen.

Dass Gysi „allen großen politischen Erfolg“ wünscht, „sofern sie meine Ziele teilen“, war daher sicher nicht als sarkastische Spitze gemeint – auch wenn am Vortag der niedersächsische Parteichef Manfred Sohn ausgerechnet Gysis ewige Gegenspielerin Sahra Wagenknecht als Frontfrau seines Wahlkampfs vorgestellt hatte. Nicht, weil eigene vorzeigbare Köpfe fehlen, stellte Sohn klar, sondern weil Oskar Lafontaines Lebensgefährtin „eine der begnadetsten Politikerinnen ist, die wir haben“.

Jetzt blickt ihr Brustbild streng auf die norddeutsche Tiefebene, im Nieselgrau vor rotem Hintergrund. Auf der Wahlliste steht sie freilich nicht. Und ihre Rolle in der Landespolitik, von der Wagenknecht höchstens einen blassen Schimmer hat, ließ sich bislang auch nicht klären.

Notorischer Anti-SPD-Kurs

Denn die Ankündigung, sie solle als Unterhändlerin bei möglichen Koalitionsverhandlungen wirken, ist nur als Absage an alle rot-rot-grünen Gespräche zu verstehen. Wagenknechts Anti-SPD-Kurs ist notorisch. Und Sohn wird ohnehin nicht müde zu betonen, er würde am liebsten mit einer linken Opposition eine rot-grüne Regierung quälen: „Wir nehmen uns dann deren Wahlprogramm vor und gießen es in Anträge um, die sie niederstimmen“, hatte er am Mittwoch im NDR-Fernsehen gesagt.

„Das hört sich für mich danach an, als ginge es darum, jemanden vorzuführen, nicht um ernsthafte politische Arbeit“, konterte der Chef der Landtagsgrünen, Stefan Wenzel. Sohn, sonst selten um eine Antwort verlegen, hatte Mühe, diese Replik auf seinen Lieblingswitz zu verdauen.

Pech hat sie ja genug gehabt, die Niedersachsen-Linke. Krankheits- und sogar Todesfälle haben die Partei im vergangenen Jahr geschwächt, dazu kamen die Personalquerelen im Bund. „Wir waren die gesamte Legislaturperiode über der Fünfprozenthürde“, klagt Wahlkampfmanager Jan Jörn Leidecker. Seit September aber nicht mehr. Und die Hoffnung, dass man auch 2008 kurz vor dem Wahltag noch bei 3 Prozent lag und dann 7,1 Prozent holte, überzeugt nicht.

Denn damals spielten die Piraten noch keine Rolle, die Fusion aus PDS und WASG zur Linkspartei war frisch und hoffnungsfroh. Und auf kommunaler Ebene hatte man noch keine Gelegenheit, sich groß zu zoffen.

Diesmal schon. Und man hat sie genutzt: „In den Städten, wo sie ihre Milieus hat, erweist sich die Linke oft als unwählbar“, sagt Politikprofessor Heiko Geiling von der Leibniz-Universität. In Hannover befehden sich Partei und Ratsfraktion, ebenso in Wilhelmshaven. Orte, wo man eigentlich ein Potenzial von über 10 Prozent hätte.

Mit dem Hintern einreißen

„Was die einen mühsam aufbauen, reißt bei der Linken der Nächste mit dem Hintern wieder ein“, sagt Geiling. „Die kommen nicht wieder rein, auch wenn die Landtagsfraktion ordentlich gearbeitet hat.“

Das stimmt: Zwar entwickelt Sohn in Essays einen dezentralen Sozialismus, der Lehren aus der Pariser Kommune von 1871 zieht. Doch im Alltag spielen die intellektuellen Ausflüge des promovierten Politikwissenschaftlers keine Rolle. Da hat man rechtsextremistische Straftaten abgefragt, die Asylpolitik kritisiert, Bildungsungerechtigkeit angeprangert und thematisch mit SPD und Grünen auf der Oppositionsbank an einem Strang gezogen.

Tatsächlich hatte Rot-Grün die Linkspartei als Bündnispartner formell nicht ausgeschlossen. Und abgesehen von der vehementen Ablehnung der Schuldenbremse bei der Linken lassen sich in den Programmen nur graduelle Unterschiede ausmachen.

Gemeinsam hatte die rot-rot-grüne Opposition denn auch Versuchen der schwarz-gelben Regierung Paroli geboten, die Linkspartei als SED-Nachfolgerin zu dämonisieren. Etwas lahm wirkten diese Attacken ohnehin, seitdem die Linksfraktion bei 71 Landtagsmitgliedern von CDU und FDP seit 1948 „braune Wurzeln“ aufgedeckt hatte. Das Parlament beauftragte schließlich eine Historikerkommission mit der Prüfung sämtlicher Abgeordneten-Biografien. Ergebnis: Ein Drittel der 755 Niedersachsen-Vertreter seit dem Zweiten Weltkrieg hatte eine NS-Vergangenheit.

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