Linken-Politikerin über rechte Gewalt: „Wie weit muss es kommen?“

In Erfurt sollen zwölf mutmaßliche Neonazis drei Männer verprügelt haben. Die Verdächtigen sind wieder frei. Katharina König-Preuss kritisiert das.

Blick über Wohnhäuser

Im Ortsteil Herrenberg haben zwölf mutmaßliche Neonazis auf drei Männer aus Guinea eingeschlagen Foto: Bodo Schackow/dpa

taz: Frau König-Preuss, in Erfurt haben zwölf mutmaßliche Neonazis so heftig auf drei Männer aus Guinea eingeschlagen, dass zwei von ihnen ins Krankenhaus mussten, einer schwer verletzt. Sie haben im Nachgang die Staatsanwaltschaft heftig kritisiert – warum?

Katharina König-Preuss: Die Staatsanwaltschaft hat nicht mal einen Haftantrag gestellt, die zwölf Personen sind wieder auf freiem Fuß. Wie weit muss es kommen, damit Neonazis die Grenzen gesetzt werden, die rechtlich möglich sind? Einer der Angegriffenen war zwischenzeitlich in kritischem Zustand. Aufgrund der anscheinend organisierten Art des Angriffs kann man meiner Meinung nach von einem bedingten Tötungsvorsatz oder sogar von versuchtem Totschlag ausgehen. Somit lägen Haftgründe vor. Die Staatsanwaltschaft hat es aber nicht mal versucht – das sendet eine verheerende Botschaft.

Ermittelt wird gegen die Tatverdächtigen wegen schwerer Körperverletzung und Landfriedensbruch. Ist das nicht erst mal das Wichtigste?

Ich sage ganz ehrlich: Die schnelle Ingewahrsamnahme von zwölf Personen, das Einschalten des LKA, das Agieren der Polizei finde ich richtig gut. Trotzdem ist die Frage: Welche Signale sendet man an die Öffentlichkeit? An die Betroffenen und Anwohner? Und an die Täter? Es hat am Herrenberg mehrfach Bedrohungen und versuchte Angriffe gegeben. Jetzt prügeln Neonazis jemanden ins Krankenhaus, und ein paar Stunden später sind sie wieder draußen und können weitermachen wie zuvor: ihre Ideologie verbreiten und Kampfsport trainieren – um dann nachts das zu tun, was sie getan haben: einen Menschen halb tot schlagen.

ist Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus der Linkspartei im Thüringer Landtag.

Laut Staatsanwaltschaft liegen die notwendigen Gründe für einen Haftantrag nicht vor – also etwa Verdunklungs- oder Fluchtgefahr.

Aus meiner politischen Einschätzung heraus würde ich bei organisierten Neonazis im Regelfall tendenziell eine Verdunkelungsgefahr annehmen. Da können Beweismittel verschwinden oder Absprachen getroffen werden, wer in der Vernehmung was sagt und was nicht. Und: Ich kenne Fälle, in denen bei einem unterstellten Tötungsvorsatz Haftantrag gestellt wurde. Das hätte signalisiert: Staatlicherseits werden alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um Neonazis zu stoppen. Ob das dann durchgeht, hätte ein Gericht prüfen müssen. Darauf hätte die Staatsanwaltschaft es ankommen lassen sollen.

Auch Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier hat sich „entsetzt“ gezeigt darüber, dass die Verdächtigen wieder auf freiem Fuß sind. Was nützen Ansagen seitens der Politik?

Ich glaube schon, dass solche Statements dazu führen können, dass die Staatsanwaltschaft beim nächsten Mal zumindest zweimal darüber nachdenkt, ob ein Haftantrag nicht doch der richtige Weg wäre.

Aber die Justiz soll ja aus gutem Grund unabhängig von der Politik arbeiten.

Die Unabhängigkeit der Justiz besteht unabhängig davon, ob es Forderungen aus der Politik gibt. Ich werde es auch weiterhin kritisieren, wenn ich das Verhalten der Justiz nicht nachvollziehen kann. Ich bin Politikerin, keine nachgeordnete Stelle der Justiz. Und ich sehe, dass nicht alles getan wurde, was möglich wäre. Dabei geht es nicht nur um diesen Angriff jetzt: Fünf Jahre hat man dieses Neonazi-Zentrum am Herrenberg laufen lassen. Es gab dort Nazi­konzerte, Treffen des Dritten Wegs und Kampfsporttrainings. Diese Leute sagen offen, was sie vorhaben. Wenn man dem keine Grenzen setzt, muss ein brutaler Angriff wie der jetzige leider niemanden verwundern.

Die Verdächtigen sollen aus dem Umkreis des Dritten Wegs stammen. Sie haben ein Verbot dieser rechtsextremen Kleinstpartei gefordert. Warum?

Weil der Dritte Weg wesensverwandt mit der Ideologie des Nationalsozialismus ist, weil er mit seinem Konzept der „White Supremacy“ kontinuierlich Menschenwürde angreift, weil er bei Wahlen – auch in Thüringen – mit dieser Ideologie antritt und innerhalb dessen rassistische und antisemitische Hetze verbreitet. Und weil ich es für notwendig halte, überall da wo möglich repressive Maßnahmen gegen Neonazistrukturen durchzusetzen. Ja, damit verbietet man am Ende deren Ideologie nicht. Aber man entzieht ihnen zum Beispiel die Möglichkeit, im öffentlichen Raum innerhalb von Wahlkämpfen sogar kostenfrei Rassismus und Antisemitismus zu verbreiten. Allein das ist es schon wert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.